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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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abgebrochene Schwertspitze verfing sich in Stoffbahnen, die von einem Balken hingen. Er schüttelte sie frei. Eine Stoffbahn, die im Mondlicht silbern wirkte, fiel in den Staub.
    Das Tuch lag plötzlich schwer auf Anas Gesicht. Sie begann zu schwitzen. Mit bleischweren Schritten näherte sie sich der Seitengasse.
    »Erinnert ihr euch nicht mehr?«, schrie der Soldat plötzlich. Ana zuckte zusammen. »Wer hat denn die Festung angezündet, als Balderick anrückte? Wir waren das! Wir haben euch Scheißpack gerettet!«
    Die fünf oder sechs Menschen in der Gasse sahen Ana an. Weder Mitgefühl noch Sorge, nur Anspannung lag auf ihren Gesichtern, und Ana wusste auf einmal, dass ihr niemand helfen würde, so wie niemand dem Soldaten half. Es waren Zuschauer. Keinen von ihnen drängte es auf die Bühne.
    »Also was ist?«, schrie der Soldat. Er sah sich um. Ana wusste, dass er sich umdrehen würde, noch bevor er sich entsprechend bewegte. Es war wie in einem Alptraum. Sein Kopf drehte sich, dann sein Körper, langsam, aber doch so schnell, dass sie nicht mehr reagieren konnte.
    Sie sah ihm ins Gesicht, ihre Blicke trafen sich und …
    Sie rannte los.
    Die schmale Gasse war nicht sehr lang und mündete auf eine, die wesentlich breiter war. Menschen hatten Verschläge in sie hineingebaut, sodass sich der Weg teilte: Links führte eine Holztreppe nach unten, rechts knickte die Gasse ab und verlief weiter am Berg entlang.
    Stiefelsohlen schlugen hinter ihr in den Staub. Der Soldat folgte ihr. Sie wollte sich unbemerkt das Tuch vom Gesicht reißen und irgendwo untertauchen, doch der Mann gab ihr nicht die Gelegenheit dazu. Ana hörte hinter sich seine wütenden Rufe.
    Menschen, die sich noch im Freien aufhielten, drehten sich um, wichen scheinbar Ana aus, aber sie wusste, dass sie nur dem Mann mit dem Schwert aus dem Weg gehen wollten.
    Hütten mit dunklen Fensterlöchern huschten an ihr vorbei. Vor einigen Gemüsegärten bog Ana links ab. Sie stolperte, als Staub plötzlich Kopfsteinpflaster wich. Sie hoffte, ihr Verfolger würde stürzen, aber seine Schritte blieben gleichmäßig.
    Es ging bergab. In einiger Entfernung sah Ana die gewaltige schwarze Fläche des Großen Flusses im Mondlicht. Die Luft brannte in ihren Lungen. Noch einen Moment zuvor hatte sie geglaubt, ewig rennen zu können, doch plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie nicht mehr lange durchhalten würde.
    Ana atmete keuchend und zog Uringestank in ihre Lungen. Vor ihr tauchte auf einmal eine Reihe von Karren auf. Sie waren mit Kisten, Säcken und Fellen beladen. Ihre Fahrer lehnten an den Rädern und unterhielten sich. Worauf sie warteten und warum sie nicht weiterfuhren, konnte Ana nicht erkennen.
    Ana bog in eine Gasse zwischen zwei Hütten ein. Sie war so schmal, dass ihre Schultern auf beiden Seiten die Wände berührten. Hinter ihr fluchte der Soldat.
    Fall schon , dachte sie. Fall doch endlich.
    Zu spät sah sie die Treppe. Im Mondlicht sahen die Stufen aus wie ein steil nach unten führender Weg. Erst als Ana den rechten Fuß nach vorn setzte, bemerkte sie die Kante. Schreck stach wie ein Messer in ihren Magen. Einen Lidschlag lang wusste sie nicht, was sie machen sollte, ob sie sich zurückwerfen oder fallen lassen sollte, dann stieß sie sich ab.
    Da war kein Boden mehr unter ihren Füßen, kein Kopfsteinpflaster und kein Staub, nur Luft. Sie spürte den Nachtwind auf ihrem Gesicht, sah die Monde über sich, die Schwärze am Ende der Stadt und die Schwärze unter sich.
    Dann prallte sie auf, der Schwung riss sie nach vorn, und sie überschlug sich, kam auf den Knien auf, schlitterte weiter die Stufen nach unten und versuchte sich an den Wänden abzustützen, aber ihre Finger fanden keinen Halt. Sie schrie.
    Eine dunkle Stimme mischte sich in ihren Schrei. Sie überschlug sich noch einmal, rutschte und schmeckte Staub.
    Etwas Dunkles tauchte vor ihr auf. Im letzten Moment drehte sie sich zur Seite, dämpfte den Sturz mit der Schulter, statt mit dem Kopf aufzuprallen. Hühner gackerten, Federn rauschten, ein Hund bellte.
    Der Aufschlag raubte ihr beinahe die Besinnung. Einen Moment lang wurde es dunkel um sie, so dunkel wie der Große Fluss, dann sah sie plötzlich einen Umriss über sich.
    Ana zog die Knie an und duckte sich. Der Umriss schlug neben ihr gegen die Wand. Bretter barsten. Schmutz und das Laub vergangener Winter hüllten sie ein.
    Sie kroch von dem Umriss und der Wand weg. Ihre Knie brannten. Ana konnte kaum atmen, hustete jedes Mal, wenn

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