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Der verwaiste Thron 03 - Rache

Der verwaiste Thron 03 - Rache

Titel: Der verwaiste Thron 03 - Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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er den Männern auf dem Schiff zu.
    »Was willst du denn?«, rief einer von ihnen zurück, während andere eine lange Planke von Deck schoben und begannen, Stände auf dem Platz vor der Anlegestelle aufzubauen. Im Winter wagte sich kein Händler nach Somerstorm. Die Schiffsbesatzungen kauften die Waren selbst in Zvaran und Bochat und verkauften sie am Hafen. Sie waren teurer als im Sommer, doch das störte niemanden.
    »Hoffentlich haben sie Silberkraut dabei«, sagte Mamee, als die ersten Fässer von Bord gerollt wurden. Gerit bemerkte, dass die Matrosen ihr verstohlene Blicke zuwarfen. In Somerstorm hatte man sich an Nachtschatten gewöhnt, doch das war nicht überall so.
    »Wartet mal«, hörte er einen Matrosen an der Reling sagen. »Lasst erst mal die Passagiere durch.«
    Ein Mann tauchte zwischen den Waren auf. Er war groß und hager, schleppte sich auf Krücken die Planke herunter. Als er unten angekommen war, drehte er sich um.
    Gerit folgte seinem Blick. Ein Mädchen führte ein Pferd an Land, dem man die Augen verbunden hatte. Vier Matrosen trugen einen Karren hinterher. Es war ungewöhnlich, dass Fremde im Winter nach Somerstorm kamen. Sie wirkten nicht wie Somer. Gerit fragte sich, wer sie waren.
    Und dann sah er sie.
    Sie trug einen Rucksack auf dem Rücken und hielt einen zweiten in der Hand. Sie war dünner, als er sie in Erinnerung hatte, und ernster. Gerit erkannte auch den Mann, der neben ihr ging. Es war der Leibwächter, der ihn beim Angriff auf die Burg zurückgelassen hatte.
    Gerit machte einen Schritt auf die Planke zu. »Ana?«
    Sie sah ihn an. Der Rucksack entfiel ihr. Sie lief die Planke hinunter, vorbei an dem Mann mit den Krücken, der überrascht zur Seite hinkte, und blieb vor Gerit stehen.
    Sie öffnete den Mund, breitete die Arme aus, schien etwas sagen und ihn umarmen zu wollen, ohne zu wissen, was sie als Erstes tun sollte. Tränen standen in ihren Augen.
    Er nahm ihr die Entscheidung ab und umarmte sie. Damals, in seinem anderen Leben, war sie größer als er gewesen, doch nun drückte sie den Kopf gegen seine Schulter. Sie roch nach Salz und Ruß.
    »Gerit.« Sie hielt ihn so fest, dass er husten musste. Ihre Stimme brachte Erinnerungen zurück, die er längst vergessen geglaubt hatte: Verstecken spielen im Gästetrakt, Hühner jagen auf dem Hof, die Flucht vor Zrenje, wenn sie bei etwas erwischt wurden, was sie nicht durften. Er genoss die Erinnerungen, obwohl sie schmerzten.
    Ana nahm den Kopf von seiner Schulter. Ihr Blick strich über sein Gesicht, ihre Hand über die Narben auf seiner Wange. »Was haben sie mit dir gemacht?«
    Nichts , wollte er sagen. Das war meine Entscheidung. Aber er schluckte die Worte herunter. Nachtschatten dachten so, nicht Menschen.
    »Ich habe dich vermisst«, sagte er.
    Ana lachte durch ihre Tränen. »Ich dich auch. Es ist so viel geschehen.«
    Sie wich plötzlich zurück. Der Leibwächter trat an ihre Seite. Seine Hände berührten die Griffe zweier Schwerter.
    Was ist denn los? , dachte Gerit, doch dann berührte eine Klaue seine Schulter.
    »Ist das deine Schwester?«, fragte Mamee.
    »Ja.«
    »Ihr seht euch ähnlich.« Sie nickte Ana zu und ergriff Gerits Hand.
    Es war der Moment, in dem Ana zu einer Fremden wurde. Er sah die Erkenntnis auf ihrem Gesicht, dann Abscheu. Er glaubte sich selbst in ihrem Blick wiederzufinden, den Jungen, der er einst gewesen war, und den vernarbten Verräter, der die Klaue einer Bestie hielt. Durch ihre Augen betrachtet war sein Leben grotesk und widerlich, und er fragte sich, wie es sein konnte, dass er glücklich war.
    »Das ist Mamee«, sagte er. »Wir leben zusammen.«
    »In meiner Festung?«
    Die Stimme stach wie ein heißes Eisen in seinen Kopf. Gerit biss sich auf die Zunge und schmeckte Blut. Er senkte den Blick, als Korvellan mit den langen Schritten eines Generals, der nach einer siegreichen Schlacht seinem Gegner entgegentrat, die Planke herunterging.
    Mamee lächelte. »Korvellan. Wir hatten Euch erst im Frühjahr erwartet.«
    Einige Matrosen stießen sich an, als sie den Namen hörten. Sie hatten wohl nicht geahnt, wer auf ihrem Schiff reiste.
    Korvellan erwiderte Mamees Lächeln, aber sein Blick ruhte auf Gerit. Eine frische Narbe zog sich von seiner Stirn bis zur Schläfe. »Es hat sich einiges geändert«, sagte er, »und ich wollte wissen, wie es um die Festung steht. Hat Gerit sie ordentlich geführt?«
    Mamee nickte. »Das hat er. Sogar Nebelläufer ist zufrieden.« Sie wirkte stolz.
    »Gut«,

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