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Der verwaiste Thron 03 - Rache

Der verwaiste Thron 03 - Rache

Titel: Der verwaiste Thron 03 - Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Feuer. Flüchtlinge senkten die Köpfe, als Jonan und die anderen Soldaten die Bahren an ihnen vorbeitrugen. Wortlos warfen sie die Leichen in die Flammen. Man hatte ihnen die Stiefel ausgezogen und die Waffen abgenommen. An der Uniform eines Toten fehlten sogar die Knöpfe.
    Die Tücher auf den Gesichtern fingen Feuer. Der Wind, den das Feuer entfachte, wehte sie empor. Jonan zuckte zusammen, als er ein Gesicht, das er kannte, inmitten der Flammen sah.
    Er stieß den Soldaten neben sich an. »Ist das Dogart?«
    Der ältere Mann nickte. Er hatte eine vernarbte Wange und war auf einem Auge blind. »Hat ihn wohl doch noch erwischt.«
    »Ich habe ihn gestern Abend noch gesehen. Da ging es ihm gut.«
    »Heute Morgen nicht mehr.« Das blinde Auge zwinkerte ihm zu. »Kann passieren.«
    Jonan folgte mit dem Blick dem aufsteigenden dunklen Rauch. Der Himmel über der Festung war wolkenlos. Schlaff hingen die Fahnen an den Masten.
    Es ist nicht mein Krieg , dachte er. Ich habe nichts mit alldem zu tun.
    Der Gedanke schmeckte fad. Er wandte sich von den brennenden Leichen ab, um zurück in die Festung zu gehen – und stutzte.
    Gegenüber, auf der anderen Seite des Hofs, schloss sich eine schmale Tür. Der Zipfel eines Sergeantenumhangs verschwand dahinter.
    Nyrdok. Jonan bog vom Weg ab und ging an Unterständen vorbei auf die Tür zu. Er wusste, dass sie zu den alten Sklavenunterkünften und einigen Vorratskammern führte. Bei seinen Wachgängen in der Festung war er einige Male dort gewesen. Die Unterkünfte wurden nicht mehr benutzt, aber in den Vorratskammern lagerte man Mehl, Trockenobst und Stockfisch. In Zeiten knapper Rationen ließ sich so etwas gut verkaufen.
    Jonan wartete einen Moment, dann zog er die Tür auf. Ein kurzer Gang befand sich dahinter, dann eine weitere Tür. Es war niemand zu sehen.
    Leise schloss er die Tür hinter sich. Das Sonnenlicht, das durch kleine Fenster in den Gang fiel, wirkte blass.
    An der nächsten Tür blieb er stehen und lauschte. Er glaubte, Schritte dahinter zu hören. Er zog die Tür einen Spalt auf und sah in den Gang. Nyrdok verschwand gerade hinter einer Biegung. Der Sergeantenumhang wehte ihm nach.
    Jonan folgte ihm. Ein Teil von ihm fragte sich, was er tun würde, wenn er ihn einholte. Er fühlte sich, als wäre Dogarts Tod sein Versagen. Er hatte gewusst, dass Nyrdok ihn umbringen wollte, und hatte nichts dagegen unternommen.
    Weil es dich nichts anging , sagte eine Stimme in ihm. Sie hatte recht, ebenso wie Nyrdok recht gehabt hatte. Dogart wäre ein schlechter Sergeant gewesen, der seine Männer früher oder später in den Tod geführt hätte. Mit seiner Ermordung hatte Nyrdok vielleicht Schlimmeres verhindert und Soldaten gerettet.
    Wenn er nur einem anderen den Umhang gegeben hätte.
    Hätte er das getan und damit bewiesen, dass es bei seiner Tat nicht nur um ihn selbst gegangen war, hätte Jonan ihn in Ruhe gelassen. Doch das hatte er nicht. Also folgte Jonan ihm.
    Vorsichtig sah er um die Biegung, hinter der Nyrdok verschwunden war, und zog sofort wieder den Kopf zurück.
    Der Gang endete in einem Raum voller Regale. Die Tür war halb geöffnet. Es brannten keine Fackeln, das einzige Licht fiel durch die Fenster im Gang herein. Nyrdok stand in der Mitte des Raums. Er schien mit jemandem zu reden.
    Jonan ging in die Hocke. Vorsichtig schob er den Kopf vor, bis er wieder in den Raum hineinsehen konnte. Es war eine Vorratskammer, aber die Regale waren leer. Nyrdok gestikulierte und redete. Er wirkte nervös. Jonan lauschte, aber kein Wort drang zu ihm herüber. Der Raum war zu weit entfernt, der allgegenwärtige Lärm der Burg, der vom Hof in die Gänge drang, zu laut.
    Er konzentrierte sich auf die zweite Person im Raum. Sie stand hinter der Tür. Ab und zu fiel ihr Schatten lang und verzerrt über die Regale. Jonan hätte auf die andere Seite des Gangs gehen müssen, um an der Tür vorbeisehen zu können, doch das wagte er nicht. Man hätte ihn bemerkt.
    Nyrdok redete nicht mehr, er hörte zu. Zuerst schüttelte er den Kopf, dann neigte er ihn, schließlich nickte er. Zum Schluss streckte er die Hand aus, nahm einen Beutel entgegen und wog ihn kurz, so wie man es mit Münzen tat, deren Wert man schätzen wollte. Dann steckte er ihn ein.
    Das Gespräch schien beendet. Jonan erhob sich lautlos, ging zurück zum Eingang und hinaus auf den Hof. Man hatte die Türen der Sklavenunterkünfte schon vor langer Zeit vernagelt. Nur noch eine Tür führte in den kleinen Seitentrakt.

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