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Der verwaiste Thron 03 - Rache

Der verwaiste Thron 03 - Rache

Titel: Der verwaiste Thron 03 - Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Kerkermeister schüttelte den Kopf. »Ich sehe die Unberührbaren, wenn sie hereingebracht werden. Das ist alles.«
    »Und wenn sie herausgebracht werden.«
    »Sie werden nicht herausgebracht.« Forderak ging an ihm vorbei in den Gang hinein. Nur zwei der Zellentüren waren verschlossen. Hinter einer befand sich Korvellan, der gefangen genommene General der Nachtschatten. Der Blick auf seine Zelle brachte die Erinnerung an das einzige Gespräch zurück, das Craymorus mit ihm geführt hatte. Er schob den Gedanken beiseite.
    »Mir ist klar, dass sie nicht freigelassen werden«, sagte er stattdessen in dem Glauben, der Kerkermeister habe ihn missverstanden. »Ich meine, wenn sie sterben.«
    »Sie werden nicht herausgebracht, Herr.«
    Craymorus fragte nicht noch einmal nach.
    Forderak schloss die letzte Zelle des Trakts auf. Noch vor kurzem hatten vier Soldaten in dem Gang Wache gestanden, doch seit der Belagerung waren sie auf andere Posten versetzt worden.
    Die Nachtschatten lagen in Ketten, umgeben von Mauern, vom Gang getrennt durch eine schwere, eisenbeschlagene Holztür. Sie konnten nicht fliehen, das hatte man ihm versichert.
    »Danke«, sagte Craymorus. »Ich klingele, wenn ich fertig bin.«
    »Ja, Herr.« Der Blick des Kerkermeisters glitt über den Tisch neben der Tür, über die Schriftrollen, die sich drauf stapelten, die Karaffe mit verdünntem Wein und den leeren Kelch. »Braucht Ihr noch etwas?«
    »Nein.« Craymorus ging an ihm vorbei und zog einen Stuhl an den Tisch heran.
    Der Nachtschattenjunge hatte sich in einer Ecke zusammengerollt. Seine Ketten klirrten, als er den Kopf hob.
    Forderak zögerte. »Kommt Ihr voran, wenn ich fragen darf, Herr?«
    »Ja, ich komme voran.«
    »Das freut mich, Herr.« Der Kerkermeister wirkte, als wolle er fragen, womit genau sein Fürst weiterkam, aber dann verließ ihn offenbar der Mut. Er drehte sich um. »Ich warte dann auf Euer Klingeln.«
    »Danke.« Craymorus wartete, bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann zog er seine Jacke aus und setzte sich. Es war warm in der Zelle. Kerzen brannten Tag und Nacht. Er hatte darum gebeten. Der Nachtschatten sollte nicht im Dunkeln leben müssen. Mellie war wütend geworden, als sie davon erfuhr.
    Nach allem, was die Nachtschatten dir angetan haben, kümmerst du dich um sein Wohlergehen? , hatte sie gesagt. Du solltest ihn aufhängen lassen!
    Er schüttelte den Kopf, um ihre Stimme zum Schweigen zu bringen.
    Der Nachtschatten setzte sich in seiner Ecke auf. Sein Kopf war vernarbt, die Nase so oft gebrochen, dass sie breit und knollig wie ein Sack voll Murmeln in seinem Gesicht hing. Fell bedeckte einen Teil seines Körpers, eine Hand war gekrümmt wie eine Klaue. Er war gefangen in einem Zustand zwischen Mensch und Nachtschatten, unfähig, sich in das eine oder das andere zu verwandeln.
    Wir sind uns ähnlich , dachte Craymorus.
    »Willst du mir nicht deinen Namen nennen?«, fragte er. Jedes Mal begann er das Gespräch mit diesen Worten. Jedes Mal antwortete ihm Schweigen.
    Der Nachtschatten ließ den Kopf sinken. Sein Blick war trüb wie der eines alten Mannes.
    Craymorus nahm wahllos eine der Schriftrollen vom Tisch und zog sie vorsichtig auf. Das Papier war vergilbt, die Tinte blass. Er hatte sie und all die anderen Rollen und Bücher in dem Bibliothekssaal gefunden, der sich mit der frühen Geschichte Westfalls befasste. Heimlich hatte er sie in die Zelle gebracht und studierte sie seitdem. Er wagte es nicht, sie in der Bibliothek zu lesen. Zu viele hätten ihn dort beobachten können. Mellie hätte ihn dort beobachten können.
    »Beten Nachtschatten zu den Vergangenen?«, fragte er, ohne den Jungen anzusehen. Er zog die Kerze näher heran und kniff die Augen zusammen. Die Schrift war kaum zu lesen. »Ich denke nicht, oder? Weißt du das überhaupt? Hast du je einen anderen Nachtschatten gesehen, deine Eltern mal ausgenommen? Woher kommt euer Wissen, und was …«
    Er ließ die Frage unvollendet in der Luft hängen. In dem besseren Licht konnte er die Schrift auf dem uralten Papier leicht lesen. Sie war alt, vielleicht die älteste, die er bislang in Händen gehalten hatte. Das Papier war brüchig und an vielen Stellen eingerissen. Jemand hatte in einer anderen, weitaus neuer wirkenden Schrift Kommentare zwischen die Zeilen geschrieben.
    »Die Eroberung von Westfall«, las Craymorus. Er stutzte. »Ich wusste nicht, dass Westfall erobert wurde.«
    Er las weiter. Die Chronik beschrieb einen Angriff von Barbaren aus

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