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Der verwaiste Thron 03 - Rache

Der verwaiste Thron 03 - Rache

Titel: Der verwaiste Thron 03 - Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Mann flüsterte sie ihm zu.
    Im ersten Moment glaubte Jonan, er habe sich verhört, doch dann bog er um eine Ecke und sah die Menschen, die in kleinen Gruppen auf dem Hof zusammenstanden. Einige weinten. Niemand arbeitete. Sogar die Kinder hatten aufgehört zu spielen.
    Jonan ging langsam zwischen ihnen hindurch. Unterhaltungsfetzen drangen an sein Ohr. Sie war gefallen, gesprungen, gestoßen worden. Sie war die Fürstin, ein Nachtschatten, die Hure eines Nachtschattens. Der Fürst hatte sie geliebt, gehasst, getötet.
    Er wusste nicht, was davon stimmte, dachte auch nicht darüber nach. Syrah war eine Fremde für ihn gewesen, ein Name, aber die Menschen Westfalls hatten sie seit Jahrzehnten begleitet. Syrah war das Einzige, was ihnen nach Baldericks und Rickards Tod aus der Vergangenheit geblieben war. Sie hatten nicht nur einen Menschen verloren, sondern eine ganze Ära.
    Und hier kommt die neue , dachte Jonan, als weiße Roben, umgeben von Schilden und Speeren, an ihm vorbeirauschten. Craymorus war vielleicht der Fürst von Westfall, aber die wahre Macht lag bei den Magiern. Er brauchte sie, aber sie hatten für ihn keine Verwendung. Jonan fragte sich, wie lange es dauern würde, bis Adelus auch den Fürsten zum Nachtschatten erklärte.
    Die Festung war zu einem Gefängnis geworden, zu einem Ort der Willkür und des Wahnsinns. Ihre Mauern schienen mit jedem Tag höher zu werden und enger zusammenzurücken. Er musste sie überwinden, irgendwie, bevor ihm dieser Ort den Mut und den Verstand raubte. Bevor er Ana vergaß.
    Soldaten bildeten einen Halbkreis vor einer der Festungsmauern. Jonan ahnte, was sie mit ihren Körpern vor Blicken zu schützen versuchten. Trotzdem ging er näher heran. Sie ließen ihn durch, als sie seine Uniform sahen.
    Jemand hatte die Leiche mit einem Umhang zugedeckt. Blut hatte den Stoff an einigen Stellen dunkel gefärbt. Syrahs Beine ragten unter dem Umhang hervor. Sie hatte den linken Schuh verloren. Eine Blutlache bedeckte die Steine neben ihr. An einigen Stellen war es bereits geronnen, an anderen versickerte es langsam im Erdboden. Ein Sklave hockte auf Knien davor und schrubbte mit einer Bürste die Steine ab. Er weinte. Die Soldaten sahen ihm wortlos zu.
    Unwillkürlich hob Jonan den Kopf. Das Fenster, aus dem Syrah gestürzt war, stand immer noch offen. Ein weißer Vorhang wehte wie ein Banner im Wind. Jonan zuckte zusammen, als ein Windstoß den Vorhang zur Seite riss und Craymorus plötzlich im Fenster auftauchte. Er sah nach unten. Ihre Blicke trafen sich.
    Jonan fühlte sich wie ein Eindringling, so als habe er nicht das Recht, an Syrahs Tod teilzuhaben. Er wollte sich abwenden, aber Craymorus nickte ihm zu. Dann winkte er ihn zu sich.
    Jonan senkte den Kopf.
    »Was will er von dir?«, fragte ein Soldat, der den Austausch mitbekommen haben musste, leise.
    »Ich weiß es nicht.«
    Der Soldat machte ihm Platz. Jonan ging zum Haupthaus und stieg die breite Treppe hinauf. Nur wenige Menschen kamen ihm entgegen. Diejenigen, die er sah, suchten den Blickkontakt zu ihm, so als wollten sie sicherstellen, dass auch er trauerte. Jonan wusste nicht, ob sein Gesichtsausdruck ihre Erwartungen erfüllte.
    Drei Treppen stieg er hinauf, dann betrat er den Gang, an dessen Ende die Gemächer des Fürsten lagen. Die beiden Wachen, die rechts und links des Eingangs standen, öffneten ihm die Tür.
    »Der Fürst erwartet dich«, sagte einer leise. Seine Augen waren gerötet.
    Jonan nickte und trat ein. Hinter ihm schlossen die Soldaten die Tür.
    Das Fenster war immer noch geöffnet. Der Wind wirbelte den Vorhang hinaus und hinein, verwandelte ihn in eine Fahne, ein Segel, wieder eine Fahne. Ausgestopfte Tierköpfe, Eber und Hirsche, starrten aus blinden Augen in den Raum.
    Craymorus saß auf dem Boden, den Rücken an die Wand gelehnt, die Arme auf die Knie gestützt. Er drehte eine Schriftrolle zwischen den Fingern.
    »Es tut mir leid«, sagte er.
    Jonan wusste nicht, worauf sich der Fürst bezog, also schwieg er.
    »Ich hätte dich nicht hierherbringen sollen.« Craymorus starrte auf die Schriftrolle. Warmes Sonnenlicht fiel einen Moment lang auf sein Gesicht. Der Schatten des Vorhangs wischte es weg. »Du gehörst hier nicht hin.«
    »Ich bin hier, weil ich es so wollte.«
    »Ja.« Craymorus schien ihm nicht zuzuhören. »Die Wachen sagen, ich wäre im Zimmer gewesen, als Syrah …« Er zögerte. »Als sie stürzte. Aber das war ich nicht.« Craymorus rieb sich die Augen. Er sah aus, als habe er

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