Der verzauberte Turm
nicht daran gewöhnt waren. Und so war ihre Heruntergekommenheit ein ausreichender Schutz vor Eindringlingen.
Ein widerliches Husten entrang sich König Urish - es mochte sich auch um ein Lachen handeln. »Und hat deine Zauberkraft dich hierhergebracht?« Sein ganzer Körper bebte, während seine blutunterlaufenen schillernden Knopfaugen den Zauberer unentwegt starr musterten.
»Ich bin über die Meere und durch ganz Vilmir zu dir gereist«, sagte Theleb K'aarna. »Weil ich erfahren habe, daß es da einen Mann gibt, den du vor allen anderen haßt.«
»Wir hassen alle anderen - alle, die keine Bettler sind«, sagte Urish. Der König lachte leise, und das Lachen wurde wieder zu einem konvulsivischkehligen Husten.
»Aber Elric von Melnibone haßt du am meisten.«
»Ja. Das könnte man wohl sagen. Ehe er als Sippentöter, als Verräter von Imrryr berühmt wurde, kam er nach Nadsokor, um uns zu täuschen. Er verkleidete sich als Leprakranker und gab vor, aus den Ostgebieten hinter Karlaak bettelnd zu uns zu kommen. Er legte mich auf widerliche Weise herein und stahl etwas aus meinem Schatz. Dabei ist mein Schatz heilig - ich lasse andere Menschen nicht einmal einen Blick darauf werfen!«
»Wie ich hörte, hat er dir eine Schriftrolle gestohlen«, sagte Theleb K'aarna. »Ein Zauber, der einmal seinem Cousin Yyrkoon gehörte. Yyrkoon wollte Elric loswerden und wiegte ihn in dem Glauben, der Zauber würde Prinzessin Cymoril aus ihrem Zauberschlaf wecken.«
»Ja. Yyrkoon hatte die Rolle einem unserer Bürger gegeben, als er vor den Toren Imrryrs bettelte. Anschließend sagte er Elric, was er getan hatte. Elric verkleidete sich und kam zu uns. Mit Hilfe von Zauberei verschaffte er sich Zugang zu meinem Schatz, meinem geheiligten Schatz, und stahl die Schriftrolle daraus.« Theleb K'aarna blickte den Bettlerkönig aus den Augenwinkeln an. »Es gibt sicher Leute, die sagen, daß es nicht Elrics Schuld war, daß vielmehr
Yyrkoon der Übeltäter sei. Er täuschte euch beide. Der Zauber hat Cymoril doch nicht geweckt, oder?«
»Nein. Aber wir haben in Nadsokor ein Gesetz...« Urish hob die mächtige Axt Hackfleisch und drehte die eingekerbte, rostige Klinge nach vorn. So heruntergekommen die Waffe auch aussah, sie war doch recht furchteinflößend. »Dieses Gesetz fordert, daß jeder stirbt, der den heiligen Schatz von König Urish sieht - und zwar auf schrecklichste Weise, von den Händen des Brennenden Gottes!«
»Und keiner deiner wandernden Bürger hat es bisher geschafft, diese Rache zu vollziehen?«
»Ich muß das Urteil persönlich über ihn sprechen, ehe er stirbt. Er muß noch einmal nach Nadsokor kommen, denn nur hier darf er mit seinem Schicksal bekannt gemacht werden.«
Theleb K'aarna sagte: »Ich liebe Elric wirklich nicht.«
Wieder stieß Urish das Geräusch aus, das halb Lachen, halb rasselnder Husten war. »Ja - ich habe sagen hören, er hat dich quer durch die Jungen Königreiche gejagt, du hättest immer größere Zauberwerke gegen ihn errichtet, doch er habe dich jedesmal besiegt.«
Theleb K'aarna runzelte die Stirn. »Nimm dich in acht, König Urish. Ich habe zwar Pech gehabt, trotzdem bin ich noch einer der größten Zauberer Pan Tangs.«
»Aber du verstreust deine Kräfte freizügig und forderst dabei viel von den Herren des Chaos. Eines Tages werden sie es satt haben, dir zu helfen, und sich einen anderen suchen, der die Arbeit für sie erledigt.« König Urish schloß die verschmutzten Lippen über den schwarzen Zähnen. Seine blassen Augen musterten Theleb K'aarna, ohne zu blinzeln.
Es entstand Bewegung im Saal, der Bettlerhof rückte näher: eine Krücke klickte, ein Stab scharrte über den Boden, verkrüppelte und lepröse Füße schlurften. Selbst der fettige Rauch aus den Kesseln schien Theleb K'aarna zu bedrohen, während er widerstrebend zur Dunkelheit des Daches emporstieg.
König Urish legte eine Hand auf Hackfleisch und die andere an das Kinn. Abgebrochene Fingernägel betasteten seinen Stoppelbart. Irgendwo hinter Theleb K'aarna ließ eine Bettelfrau einen lauten Furz und kicherte.
Beinahe wie um sich zu beruhigen legte der Zauberer das duftende Taschentuch fest über Mund und Nasenlöcher. Er begann sich aufzurichten, bereit, einem Angriff zu begegnen, sollte es dazu kommen.
»Ich nehme allerdings an, daß du deine Kräfte noch hast«, brach Urish plötzlich die Spannung. »Sonst wärst du nicht hier.«
»Meine Kräfte nehmen zu.«
»Mag sein - im Augenblick.«
»Meine
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