Der Veteran: Roman
ich schließlich, verärgert, weil ich mich durch jemanden verunsichern ließ, der kaum mehr als ein Kind war.
»Wir haben alles, was wir wollen.« Seine Stimme war so kalt und ausdruckslos, dass sie nur moduliert sein konnte. Dieser Typ war so imagebewusst, dass er nur jung sein konnte.
»Warum bin ich hier oben?«, fragte ich.
»Bist du Angelsachse?«, fragte er, als hätte dieser Begriff irgendeine Bedeutung.
»Ja.«
»Dein Akzent klingt schottisch, und Schotten sind keine Angelsachsen.«
»Trotzdem bin ich Weißer«, sagte ich. Wenn ich hier jemals runterkam, würde ich den kleinen Scheißer so lange würgen, bis kein Leben mehr in ihm war.
Der insektenäugige Nazi schwieg.
»Du hast mir immer noch nicht gesagt, warum ich hier oben bin«, versuchte ich es dann noch einmal.
»Um zu leiden.«
Das klang nicht gut. »Aus einem bestimmten Grund?«, fragte ich.
»Um für die Verbrechen zu leiden, die die niederen Rassen der Herrenrasse zugefügt haben. Um Gott zu zeigen, dass einige aus seinem erwählten Volk ihn immer noch verehren. Damit du ein bisschen von dem spürst, was unser Herr Jesus spürte, als er von niederen Menschen wie deinesgleichen geschändet wurde.«
Etwas rührte sich im Hintergrund meines Gedächtnisses. Ein fast vergessenes Gespräch mit einer christlichen SigTech, die zu meiner ersten Einheit gehört hatte, als ich zu den Paras gekommen war.
»Ich bin kein Römer«, sagte ich zu ihm, völlig von der Richtigkeit meiner Worte überzeugt. »Ich war noch nicht mal in Italien.«
Er ging nicht darauf ein. »Für einen Untermenschen bist du sehr stark, was?«
»Ich weiß nicht, was du damit meinst.«
»Ich glaube, du wirst sehr lange durchhalten und ein sehr großes Opfer bringen.«
Ich gelangte zu dem Schluss, dass es wahrscheinlich wenig nützte, vernünftig mit diesem Kerl zu reden.
»Das ist doch alles totaler Quatsch, du armseliges kleines Arschloch. Hier geht es nicht um Ideologie oder Religion, sondern nur um deine beschissenen Unzulänglichkeiten. Du bist schwach und ängstlich, also musst du dich aufspielen. Deshalb versuchst du, Macht über andere Leute auszuüben. Du bringst sie dazu, Angst vor dir zu haben, weil du keine Ahnung von Respekt und Liebe hast. Du weißt ganz genau, dass du nicht die
winzigste Chance gegen mich hättest. Das weißt du!«, schrie ich ihn an.
Ich glaubte, etwas wie Verärgerung in seinem Blick aufflackern zu sehen, aber er verlor keine Sekunde lang die Beherrschung, das musste man ihm lassen.
»Kocht ihn. Bringt ihn zu den Kratern«, sagte Insektenauge schließlich.
Eine Zeitlang war es gar nicht so schlimm. Sie fuhren mit dem Strandbuggy über unwegsames Gelände, und weil ich an den Armen gefesselt war, verursachte mir jedes Schlagloch trotz meiner verstärkten Physiologie große Schmerzen. Doch schon bald war das meine geringste Sorge. Viel größere Probleme bereitete mir der Staub. Er war ätzend und brannte. Trotz der Filter spürte ich, wie der Staub in meine Nasenhöhlen und meine Kehle drang. Ich bemühte mich, den Mund geschlossen zu halten, und öffnete ihn nur, wenn besonders schmerzhaft an meinen Armmuskeln gezerrt wurde. Als mein Kopf zum Nicken gezwungen wurde, sah ich, dass mein Körper blutüberströmt war. Meine Haut wurde langsam vom Staub bis auf die subkutane Panzerung abgeschmirgelt. Ich fühlte mich, als würde ich aufgelöst, Schicht um Schicht abgetragen. Wenn ich zu schreien versuchte, schluckte ich nur mehr Staub.
Es kam mir alles so sinnlos vor. Insektenauge hätte mich ausweiden und meine Teile und vielleicht sogar mein Fleisch verkaufen können. Stattdessen fügte er mir nur diese Qualen zu, deren Sinn ich nicht verstand. Irgendwann war ich es gar nicht mehr, der an diesem Rahmen auf dem Strandbuggy hing. Es war nur noch ein Klumpen schmerzenden Fleisches, der nicht mehr zu höheren gedanklichen Prozessen imstande war. Es war ein geistloses, verwundetes Tier, eine kaputte Maschine. Die Gestalt und der Geist schlossen sich gegenseitig aus und konnten sich nicht mehr miteinander identifizieren, obwohl es über die
elektrischen Signale der schreienden Nervenenden noch eine schwache Verbindung gab. Normalerweise wäre ich bewusstlos geworden, doch jedes Mal, wenn ich kurz davor stand, wurde ich durch die Schmerzen in Armen und Rücken wieder wachgerüttelt.
Das Letzte, woran ich mich erinnerte, war das Gefühl von Panik, in jenem Moment eine fast beruhigend menschliche Empfindung, als sich der Strandbuggy
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