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Der Veteran: Roman

Titel: Der Veteran: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Smith , Bernhard Kempen
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Tatsache, dass sie wahrscheinlich viel besser mit dem derzeitigen Grundriss von Crawling Town vertraut waren als ich.
    Weil ich so sehr auf die Leute hinter mir geachtet hatte, war mir entgangen, dass auch welche vor mir waren. Eigentlich hätte es mir auffallen müssen, aber hier gab es so viele Menschen, dass ich nicht allzu viel machen konnte. Selbst die Thermografie hätte mir nur gezeigt, was ich bereits wusste, nämlich jede Menge warme Menschen und heiße Motoren. Trotzdem wäre es wohl nie passiert, wenn ich gut in Form gewesen wäre. Die Jeeps näherten sich von beiden Seiten der Kreuzung, die vor mir lag. Ihre Schützen nahmen mich sehr kompetent und diszipliniert ins Kreuzfeuer. Ich entkam dem ersten Netz. Das zweite streifte mich nur, und jemand starb mit einer Kugel meiner Mastodon im Kopf. Das dritte Netz erwischte mich, und sie jagten so viel Strom hinein, dass meine Systeme nicht mehr damit zurechtkamen. Ich hoffte, dass die Energie sie ein Vermögen kostete. Ich stand zu sehr unter Elektroschock, um einen Notruf an Rannu zu schicken, und war dann zu bewusstlos, um es zu tun, nachdem ich nicht mehr unter Strom stand.
     
    Sie nannten sich The Wait. Sie waren ein Skinhead-Mönchsorden, der aus ihrer Kommune in Oregon vertrieben worden war und sich daraufhin Crawling Town angeschlossen hatte. Ich brauchte eine Weile, um die ganze Skinhead-Hakenkreuz-Geschichte zu verstehen. Sie waren Nazis, Anhänger einer politischen Ideologie aus der Zeit, als die Leute noch politische
Ideologien hatten. Dabei ging es um die Überlegenheit der weißen Rasse, so albern das klingen mag. Es war eine Idee aus der Zeit vor dem FMK, die anscheinend zeitweise zu schlimmen Kriegen geführt hatte. Eine echte Überraschung, dass es immer noch solche Leute gab. Wahrscheinlich brauchten sie in Zeiten wie diesen etwas, an dem sie sich festhalten konnten, das ihnen einen Sinn gab. Auch wenn dieser Sinn alt, verdorben und nutzlos war. Es war mir auch nicht klar, ob sie irgendwie bemerkt hatten, dass ich zu einem Viertel Thai war. Ich hatte keine Ahnung, warum sie mich ausgesucht hatten.
    Eins musste man ihnen lassen: Sie wussten, wie man jemanden außer Gefecht setzte. Sie hatten eine Spinalklammer angesetzt und mich damit wirkungsvoll paralysiert. Sie hatten mich entkleidet und mir meine gesamte Ausrüstung abgenommen, aber ansonsten war ich unversehrt geblieben. Es war mir nur extrem peinlich, und ich ärgerte mich über mich selbst. Ich hatte versucht, eine Nachricht an Rannu zu schicken, spürte aber, dass irgendein Inhibitor in einem meiner Anschlüsse steckte.
    Die Skinheads hatten eine Art Gefangenenlager errichtet. Ein elektrischer Zaun mit programmierbarem Stacheldraht verlief zwischen mehreren großen gepanzerten Wohnmobilen. Es gab noch einige weitere Sicherheitsvorkehrungen, und sie bewachten das Lager recht professionell. Die Sache war allerdings die: Ich hatte den Eindruck, dass kaum einer von ihnen gedient hatte. Sie waren nicht mehr als hasserfüllte Kinder, die Soldat spielten. Ich hatte mich schon oft gefragt, warum solche Leute nicht zum Militär gingen - wenn sie schon das Bedürfnis hatten, sich in pseudomilitärischen Spielchen zu ergehen.
    Ich sah, wie drei von ihnen aus dem Wohnmobil kamen, von dem ich vermutete, dass es das Kommandozentrum war, und in meine Richtung gingen. Zwei von ihnen trugen schwarze Strahlenschutzponchos mit dem roten Kreuz. Sie waren mit nachgebauten Schmeisser-MPs für hülsenlose 10-mm-Munition
ausgerüstet. Der Typ in der Mitte trug keine Schutzkleidung, sondern nur ein sauberes gebügeltes schwarzes Oberhemd mit dazu passender Hose und hohen schwarzen Stiefeln, die so aussahen, als wären sie tatsächlich aus der Haut eines Tieres gefertigt worden. Sie waren sehr schwarz und auf Hochglanz poliert. Er kam zu der Stelle, wo ich gekreuzigt hing, und blickte zu mir auf.
    »Hallo«, sagte ich.
    Sein Schädel war völlig kahlgeschoren. Offenbar hatte er überhaupt kein Haar am Kopf, und ich konnte mir nicht erklären, warum er roten Lippenstift aufgelegt hatte. Auf der Schädeldecke konnte ich knapp unter der Haut ein kompliziertes Netzwerk aus Schaltkreisen erkennen. Es musste sehr kostspieliges Zeug sein. Dieser Typ war offensichtlich ein Hacker. Ich mochte seine Augen nicht. Sie waren blau und facettiert wie bei einem Insekt. Das war irgendwie nicht richtig. Er beobachtete mich einfach nur eine Weile. In seinen Augen sah ich mehrfache Spiegelbilder von mir.
    »Was wollt ihr?«, fragte

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