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Der Veteran: Roman

Titel: Der Veteran: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Smith , Bernhard Kempen
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möglichst wenig Beweise zu hinterlassen.
    Wir töteten jeden, auf den wir stießen. Wir säuberten Büros, Unterkünfte, Duschen und Toiletten, Küchen und Freizeitbereiche. Balor beschloss, keine Gewehre mehr zu benutzen. Ich sah, wie er einen Wachsoldaten von den Beinen riss und ihn in der Luft mit seinem Dreizack aufspießte.
    Plötzlich war niemand mehr da, den wir hätten töten können. Ich atmete schwer, während ich zwischen den Trümmern von etwas stand, das einmal eine sehr kostspielige Maschine gewesen sein musste. Mir war vage bewusst, dass ich im Korridor vor diesem Labor an Balor vorbeigegangen war. Er war dabei gewesen, jemanden mit seinen Zähnen zu zerfetzen.
    Niemand schoss auf mich. Ich hatte Zeit, meine Umgebung zu betrachten, statt sie nur auf potenzielle Ziele abzusuchen. Es war ein Großraumlabor. An den Wänden standen Gefrier-, Kühl- und Glasschränke, von denen viele zerbrochen und eingeschlagen waren. In einer Senke im Fußboden befand sich etwas, das wie ein OP-Bereich aussah. Der Operationstisch war übergroß und mit sehr stabil wirkenden Fesseln ausgestattet. Als ich mich umblickte, erkannte ich, dass dies ein abgeschotteter Reinraum gewesen war. Auf einer Seite der Wand befand sich eine dicke Plastikscheibe, durch die man die Operationen beobachten konnte. Hinter dem OP-Bereich bemerkte ich ein weiteres stabiles Plastikfenster.

    Das Rauschen in meinem Kopf ließ jetzt allmählich nach. Ich hatte mich getäuscht, als ich gedacht hatte, dass niemand mehr da war, den man hätte töten können. Menschen krochen unter Tischen und hinter umgekippten Werkbänken und aus dem abgesenkten Operationsbereich hervor. Viele trugen Laborkittel, ein paar Arbeitsoveralls, mehrere normale Alltagskleidung und zwei von ihnen die Uniformen der Sicherheitskräfte ohne Abzeichen.
    Jemand mit einem Laborkittel kam auf mich zu. Er war offensichtlich der älteste der Anwesenden. Er schien Anfang sechzig zu sein, obwohl er durchaus älter sein mochte. Er redete langsam und vorsichtig auf mich ein, bis sein Gesicht rot wurde und verschwand. Ich glaube, es wurde geschrien, als er zu Boden stürzte. Ich hörte jemanden »Nein« vom Eingang rufen. Als sich der Rauch vom Lauf meiner Pumpgun verzog, wandte ich mich um und sah Morag dort stehen, die Hände vor den Mund geschlagen und mit Tränen in den Augen. Ich stieg über die Leiche hinweg und ging zum Beobachtungsfenster auf der anderen Seite des OP-Bereichs. Das Personal wich mir weiträumig aus.
    Erst einige Zeit später erinnerte ich mich an das Entsetzen und die Angst, die in ihren Gesichtern standen. Das war der Punkt: Ich betrachtete mich selbst als jemanden, der im Großen und Ganzen in Ordnung war. Ich tat dieselben schlimmen Dinge, die jeder tat, um zu überleben. Vielleicht war ich etwas besser darin, die schlimmen Dinge zu tun, als andere Leute, aber ich war ein relativ gelassener und verträglicher Mensch. Jemand, mit dem man losziehen und ein Bier trinken konnte. So sah ich mich selbst, aber wie konnte ich all das tun und trotzdem glauben, dass ich völlig normal war? Wie konnte ich so vielen Menschen Leid zufügen und sie töten und dann erwarten, mit anderen zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen? Wie konnte ich den einen Menschen als Ding sehen und
für einen anderen Gefühle entwickeln? Jetzt hörte ich Morag weinen. Ihr Körper wurde von Schluchzern geschüttelt. Das war doch sicherlich die einzige normale Reaktion auf so etwas, oder? Wie war ich so geworden? Wann war es normal geworden? Der junge Mann, kaum mehr als ein kleiner Junge, der sich beim ersten ernsthaften Feuergefecht mit den Paras vor Angst die Hose vollgeschissen hatte, war nur noch eine ferne Erinnerung, eine ganz andere Person.
    Ich zog das leere Magazin aus meiner Pumpgun und steckte ein neues hinein, bevor ich die Waffe schulterte. Plötzlich fühlte ich mich sehr müde. Ich setzte mich auf den Operationstisch, während mir peripher bewusst war, dass Mudge und Rannu hinter mir die Gefangenen bewachten. Ich zündete mir eine Zigarette an und blickte durch das Beobachtungsfenster in den Schutzraum, während ich darüber nachdachte, wie sehr Gregor sich verändert hatte, als er mich von dort anstarrte.
    Er stakste von einer Seite des kleinen Raumes zur anderen wie ein Tier im Käfig. Seine Augen waren schwarze Teiche ohne erkennbare Iris. Sie sahen aus, als würden sie aus derselben Flüssigkeit bestehen, aus denen sich IHRE Körper zusammensetzten, genauso wie der von Morag

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