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Der Veteran: Roman

Titel: Der Veteran: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Smith , Bernhard Kempen
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in meinem Traum. Er war größer und schlanker und wirkte gleichzeitig wesentlich kräftiger, doch seine Physiologie war völlig verkehrt. Er sah irgendwie schief aus, als hätte er an einigen Stellen zu viele Knochen und an anderen zu wenig. Seine Finger waren länger und hatten zu viele Gelenke, und sie endeten in langen Nägeln, die aus schwarzem Chitin zu bestehen schienen. Was ich anfänglich für schulterlanges glattes schwarzes Haar gehalten hatte, erkannte ich nun als Masse aus Alien-Tentakeln. Ich versuchte, meinen Abscheu zu ersticken, als sich ein Teil seiner Haare aus eigener Kraft zu bewegen schien. Er hielt den Blick auf mich gerichtet, während er vor und zurück stakste. Falls er mich überhaupt erkannte, war er stinksauer.

    »Morag?«, sagte ich, doch von ihr kam weiter nur Schluchzen. »Morag!«, wiederholte ich etwas energischer.
    »Ja?«, antwortete sie und atmete ein paarmal tief durch.
    »Ich möchte, dass du hier in das interne Netz einsteigst und alles rausholst, was du findest.«
    Mudge trat neben mich und blickte durch die Scheibe auf das, was aus seinem Freund geworden war. Er schwieg eine ganze Weile.
    »Scheiße«, sagte er schließlich. »Was willst du jetzt tun?«, fragte er, während Balor, immer noch oder wieder blutbesudelt, an uns vorbeiging, um durch das Plastikfenster Gregor anzustarren.
    Dann sah ich, wie das Netz-Fenster in meinem visuellen Display zum Leben erwachte. Annis stand in einer Landschaft aus schwarzem Glas. Ein großer Teil davon brannte. Der Hexen-Avatar hob sich mit der kalten blauen Haut scharf vom schwarzen und roten Hintergrund ab.
    »Es ist nicht mehr allzu viel übrig«, krächzte Annis’ modulierte Grabesstimme über das Kom-Netz.
    »Heide?«, fragte ich, während ich immer noch auf Gregor starrte, der nun Balor anstarrte.
    »Bin dran«, sagte der Heide. Kurz darauf sah ich seinen Avatar in Gestalt des idealisierten Druiden in der apokalyptischen Landschaft des Speichennetzes erscheinen. Ich vermutete, dass die virtuellen Flammen die Nachwirkungen einer versuchten Löschung waren. Ich sah die geisterhaften Schatten in den lumpigen Kapuzenmänteln über die zerklüftete Obsidianlandschaft treiben.
    Balor drehte sich zu mir um, das Raubtiermaul zu einem blutigen Grinsen verzogen.
    »Ich will gegen ihn kämpfen«, sagte er nur.
    Ich ging nicht darauf ein, sondern wandte mich an Rannu. »Bring einen der Wissenschaftler her«, sagte ich zu ihm.

    Alle Wissenschaftler knieten am Boden und hatten die Hände um die Fersen gelegt. Rannu deutete mit seinem Gauss-Karabiner auf einen von ihnen, worauf der junge Mann wankend zum Operationstisch kam. Als ich die Mastodon aus dem Schulterholster zog, bemerkte ich, dass er sich nassgemacht hatte - ebenfalls eine normale Reaktion auf das, was hier geschehen war. Ich beneidete ihn fast um seine Angst. Oder hätte es getan, wenn diese körperliche Reaktion nicht so feuchtkalt und unangenehm gewesen wäre. Er heulte.
    »Es tut mir leid. Ich fürchte, Sie sind die Geisel, die sterben muss, damit die anderen verstehen, dass sie kooperieren sollten«, sagte ich zu ihm. Ich hatte gar nicht das Bedürfnis, ihn zu erschießen. Es spielte nur keine Rolle, ob es einer mehr oder weniger war.
    »Nein … nein, bitte, bitte nicht …«, stieß er hervor, bevor er auf die Knie sank. Es war gut, wenn er fast einen hysterischen Anfall bekam.
    »Also können Sie mir helfen?«, fragte ich ihn. »Wir haben nicht allzu viel Zeit. Wenn ich feststelle, dass ich mit Ihnen nur meine Zeit vergeude, muss ich Sie töten und noch einmal von vorn anfangen. Okay?« Meine Stimme klang ruhig und vernünftig.
    Er nickte und schniefte.
    »Wenn Sie mit ihm hier arbeiten«, sagte ich und klopfte auf den Operationstisch, auf dem ich saß, »wie stellen Sie ihn dann ruhig?«
    »Wir füttern es einmal täglich mit einer speziellen Proteinformel. Wenn wir es herausholen wollen, fügen wir der Nahrung programmierte Naniten hinzu. Sie dringen in seinen Körper ein und lösen ein Signal aus, das es in eine Art Trance versetzt, die wir seiner Biosoftware einprogrammiert haben.«
    »Wenn Sie ihn noch einmal es nennen, werde ich Sie höchstpersönlich erschießen«, knurrte Mudge.

    Ich hob eine Hand. Dann sah ich Gregor an. Er stand jetzt still, starrte nur Balor an und bewegte leicht den Kopf, während er den konvertierten Cyborg musterte. Ich konnte nicht mehr die Augen vor der Ähnlichkeit zwischen meinem alten Freund und IHNEN verschließen. Hatte ich es mit Gregor

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