Der Veteran: Roman
wissen.
»Hör mal, das verstehst du nicht …«, sagte ich, bis mir klar wurde, dass ich so klang, als wollte ich Morag genau die Art von wichtigtuerischer erwachsener Lektion geben, die ich in ihrem Alter auf den Tod nicht hatte ausstehen können. Andererseits musste ich mir eingestehen, dass ich auf ein paar davon hätte hören sollen, vor allen die, bei denen es um Kriegsdienstverweigerung ging.
»Das ist nicht deine Entscheidung. Das ist nicht deine Angelegenheit. Eigentlich hat es sogar überhaupt nichts mit dir zu tun.«
Wieder sah ich die Entschlossenheit in diesem stillen, scheinbar so schüchternen Mädchen. Der Heide blickte nervös zwischen uns beiden hin und her. Er räusperte sich sogar, bevor er das Wort ergriff.
»Sie ist nicht die Einzige, die sich vom AutoDoc behandeln lassen sollte«, sagte er und sah dabei mich an.
Unwillkürlich hob ich eine Hand und berührte die verbrannte Ruine meines Gesichts. Ich hatte es schon fast vergessen.
»Außerdem habe ich ein Loch im Bein, und mein Transponder muss entfernt werden.« Ich suchte zwischen den vielen
kleinen Verletzungen nach der schmerzenden Erinnerung an die verspielte Warnung der Grauen Lady.
Der Heide lächelte. »Wir sind inzwischen ziemlich gut darin, Transponder zu entfernen.«
»Was auch immer wir tun, wir müssen es schnell tun«, sagte ich, als mir bewusst wurde, wie wenig Zeit uns noch blieb.
»Wir sind eine arme Gemeinschaft. Du wirst dafür bezahlen müssen«, sagte der Heide.
»Sprich mit meiner Buchhalterin«, sagte ich und nickte in Morags Richtung, die mir einen finsteren Blick zuwarf.
Der Heide hielt den Würfel hoch.
»Tu, was immer du für richtig hältst«, sagte ich.
»Was wollt ihr danach machen?«, fragte der Heide.
Das war eine gute Frage. Was wollten wir tun? Weiter weglaufen, bis sie uns erwischten? Einen Platz zum Sterben suchen? Auf eine Weise Selbstmord begehen, dass kein Prä- oder Post-mortem-Verhör möglich war? Ich sah zu Morag, und wieder verspürte ich den Drang, sie zu beschützen. Das Letzte, was ich ihr wünschte, war, dass sie Rolleston in die Hände fiel.
»Weglaufen«, hörte ich Morag sagen.
Der Heide sah uns beide nachdenklich an.
10. Kapitel
HULL
Morag kam unters Messer oder genauer gesagt unter den Laser. Sie war so freundlich, jemanden zu bezahlen, der mich säuberte und mir neues Fleisch aufs Gesicht strickte. Außerdem wurde mir neue Haut aufgesprüht und meine Beinwunde besser versorgt, als es mir beim Vikar möglich gewesen war. Während das geschah, hielt der Heide eine Audienz bei Botschafter ab.
Der AutoDoc arbeitete in etwas, das für mich wie ein Würfel aus rostfreiem Stahl aussah, den man in einem größeren Zimmer im Erdgeschoss eines der Reihenhäuser zusammengebaut hatte. Er war wasserdicht, und man betrat ihn durch eine Luke in der Decke. Man konnte hören, wie der Humber gegen die Wände schwappte. Als ich die Augen öffnete und mein neues zartes Fleisch spürte, lag Morag neben mir auf dem zweiten Operationsstuhl, noch in Narkose. Ihr Schädel war kahlgeschoren und mit einem Netz aus frischem Narbengewebe überzogen. Ich konnte ansatzweise ein paar neue Anschlüsse in ihrem Genick erkennen. Das war die Anzahlung des Mädchens auf ihre Menschlichkeit, indem sie versuchte, zu etwas anderem zu werden, als sie war. Ich fand es eine Verschwendung, da wir beide wahrscheinlich sowieso schon bald tot waren.
Der AutoDoc hing über mir. Er hatte Arme, die ihm aus den Schultern wuchsen und mit verschiedenen chirurgischen Werkzeugen ausgestattet waren. Dadurch sah er wie eine stählerne Gottesanbeterin aus.
»Der Heide will dich sprechen«, teilte er mir mit.
Ich konnte das Netz nicht ausstehen. Vielleicht klingt es seltsam, wenn das jemand sagt, der so viel Zeit in den Senso-Kabinen verbracht hat. Die Technologie war sehr ähnlich, eine totale sensorische Versenkung mittels neuraler Verbindung, die als Senso-Link bezeichnet wurde und direkt ins Gehirn ging. Dadurch wurden die Sinneseindrücke so real, dass man an einem Neural-Feedback sterben konnte, was jedes Jahr mehreren tausenden Hackern passierte. Genauso wie es mit anderen Usern geschah, die ins Kreuzfeuer gerieten.
Die überwiegende Mehrheit der Menschen griff zu irgendeinem Zeitpunkt auf das Netz zu, zumindest während der Ausbildung - und wenn nicht in der Schule, dann spätestens beim Militär. Wer mit jemandem kommunizieren wollte, der nicht zu Fuß erreichbar war, musste auf irgendeine Weise das Netz
Weitere Kostenlose Bücher