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Der Veteran: Roman

Titel: Der Veteran: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Smith , Bernhard Kempen
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benutzen. Auch zu Unterhaltungszwecken war ein Zugang praktisch unumgänglich.
    Ich erkannte den Nutzen, aber es gefiel mir trotzdem nicht. Die virtuelle Geografie, mit der man über sein Avatar interagieren konnte, war angeblich potenziell unendlich. Auf mich hatte es immer einen sehr überfüllten und chaotischen Eindruck gemacht. Aber vielleicht lag das daran, dass ich als gelegentlicher Nutzer nur die populären Ziele aufgesucht hatte. Virtuelle Architekten waren nicht den Gesetzen der Physik unterworfen, also konnte ein Ort wie ein ganz normales Gebäude oder ein riesiger Pilz aussehen oder auch wie ein kontinuierlich galoppierendes Riesenpferd. Die Highways, das Netz-Äquivalent von Stadtstraßen, verliefen kreuz und quer durcheinander.
Wenn man aufblickte, sah man manchmal einen Highway, an dem alles auf dem Kopf stand oder in einem irritierenden schiefen Winkel angeordnet war. Und da die Hauptnutzer Hacker waren, gab es einen großen Anteil von häufig sehr auffälliger religiöser Ikonografie. Vielleicht beleidigte das nur meinen recht geordneten atheistischen Geist, aber ich wunderte mich nicht darüber, dass Hacker so verrückt waren. Was mich wirklich nervte, war, dass das Netz unsere Traumwelt war. Es hatte das Potenzial, ein erbaulicher Gegensatz zur schmerzvollen Realität menschlicher Konflikte zu sein, aber stattdessen war es nur genauso grell, überfüllt, unangenehm und kommerziell wie die reale Welt.
    Dinas Emrys hätte mich fast dazu gebracht, meine Ansichten zu revidieren. Ich hatte den Heiden in tiefer Trance vorgefunden. Eine handschriftliche Notiz auf Sub-Papier, in der er mich aufforderte, mich zu ihm zu gesellen, war mit Klebeband an einem Anschluss zu einer unabhängigen CPU/Modem-Einheit befestigt. Widerstrebend klinkte ich mich ein.
    Es dauerte eine Weile, bis ich Zugang erhielt. Wahrscheinlich lag das am aufwändig verschlüsselten Transportprogramm, das mich zu meinem Ziel brachte. Ich erschien in einem gewölbten Steintunnel, der aussah wie etwas aus einem mittelalterlichen Senso-Programm, nur dass es das typische Aussehen einer gut gerenderten Animation hatte, die nicht völlig naturalistisch wirkte. Der Tunnel hatte eine niedrige Decke und wurde passend von flackernd brennenden Fackeln erhellt. Ich blickte an mir herab und stellte fest, dass ich den nichtssagenden, puppenhaften Avatar des gelegentlichen Surfers hatte, eine androgyne, ungefähr menschliche Gestalt mit den einfachsten Gesichtszügen.
    Am Ende des Tunnels befand sich eine schwere Holztür, die mit Eisen beschlagen war. Rechts von der Tür gab es eine Treppe, die nach oben führte. Hinter mir setzte sich der Tunnel endlos
fort. Ich konnte weitere Türen an den Seiten erkennen, aber ich schätzte, dass ich aus gutem Grund hier eingetroffen war. Ich machte mich auf den Weg zur Tür und versuchte mit der anfangs befremdlich wirkenden Empfindung zurechtzukommen, meinen Avatar mental zu bewegen, bis mein Geist die neue Realität des Senso-Links akzeptiert hatte. Der Avatar war viel zu primitiv, um Gerüche und Berührungen zu vermitteln, aber die Umgebung sah aus, als wäre sie sehr aufwändig programmiert worden.
    Ich erreichte die Tür und stellte leicht irritiert fest, dass sie verschlossen war. Mir fiel auf, dass die Treppe zu einer Art Galerie hinaufführte. Ich stieg empor und blickte nun durch Bögen auf eine große kreisförmige Kammer mit Steinwänden, die eine Kuppel trugen. Auch dieser Bereich wurde von Fackeln erhellt. Als ich das obere Ende der Treppe erreichte, nahm ich plötzlich einen Gesang wahr in einer Sprache, die gleichzeitig fremd und irgendwie vertraut klang.
    Im Zentrum der Kammer befand sich ein seltsamer amorpher schwarzer Klumpen, der in ständiger Bewegung war. Er brodelte und kochte und streckte wachsende Pseudopodien aus. Er sondierte eine Art Barriere, die ihn im Zentrum der Kammer festhielt. Rund um diese Informationsgestalt verlief ein kompliziertes Kreismuster aus fremdartigen Symbolen, die in den steinernen Boden graviert waren. Wahrscheinlich war das der Ursprung der Barriere, eine Art Quarantäne- oder Isolationsprogramm.
    Rund um den Kreis standen mehrere Gestalten, die Kapuzengewänder in verschiedenen Farbtönen trugen, von schlichtem Schwarz bis zu einem animierten Paisleymuster. Die Gewänder verhüllten die Avatare ihrer Träger. Ich versuchte sie zu zählen, aber irgendetwas spielte mit meiner Wahrnehmung, bewegte sie hin und her, obwohl sie völlig reglos dastanden. Vermutlich

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