Der Veteran: Roman
ihn keineswegs langsamer machte. Er war zweifellos aufgerüstet, aber ich vermutete, dass er schon schnell gewesen war, bevor man ihn in einen Cyborg verwandelt hatte. Die Sonnenbrille verdeckte vermutlich Linsen, die meinen nicht unähnlich waren. Seine Miene war undurchschaubar, aber er schien eine Art Passivität auszustrahlen. Sein Gesichtsausdruck änderte sich nicht, als er den Heiden und mich sah, aber ich wusste, dass er mich genauso abschätzte wie ich ihn.
»Du speist gut«, sagte ich zu Balor.
»Ich arbeite dafür«, sagte er, ohne aufzublicken. Gleichzeitig textete ich Morag an und fragte sie, ob mit ihr alles in Ordnung war. Einer der Leute am Tisch, ein unauffälliges Individuum in verblasstem grauem Overall, die eine Kopfhälfte durch Hardware ersetzt, schaute zu Balor und nickte. Balor blickte zum Heiden und mir auf. Der Heide erzitterte.
»Mir geht es gut«, sagte Morag.
»Haltet ihr uns für Monster?«, fragte Balor. Verhaltenes Lachen von der Tischrunde. Aber die SEAL-Frau lachte nicht. Reb. Jetzt fiel es mir wieder ein. Wahrscheinlich eine Abkürzung für Rebecca oder Rebel. Wie ich die SEALs kannte, eher für Letzteres.
»Ich dachte, dass es genau darum geht«, sagte ich.
Balors Grinsen verschwand, was mir eine gewisse Befriedigung verschaffte, da ich sein Raubtiergebiss nicht mochte. Sein Blick wechselte zwischen Morag und mir.
»Lasst uns ehrlich zueinander sein, okay?«, meinte er dann.
»Bist du dir sicher, dass du das willst?«, fragte Morag. Ihre Stimme klang erstaunlich ruhig, wenn man bedachte, in was für einer Situation sie sich befand.
Balor wandte sich ihr zu und fixierte sie mit dem Blick, der im Viz immer als böse oder unheilvoll beschrieben wurde.
Morag schlug sofort die Augen nieder.
Tolle Leistung, du Arschloch , dachte ich, ein siebzehnjähriges Mädchen einzuschüchtern . Es überraschte mich selber, wie wütend ich plötzlich wurde. Solche Sachen steckt man viel leichter weg, wenn einen das alles im Grunde gar nicht interessiert.
Balor streckte mit einer ausholenden Geste beide Arme aus und deutete auf das gute, aber zunehmend aufgeweichte Büfett vor ihm.
»Im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert gaben sich Piratenbesatzungen allergrößte Mühe, einen guten Koch an Bord zu haben. Auf jedem Schiff ist das Essen der häufigste Anlass für Streit. Piratenkapitäne hatten nicht die Autorität, auf die man sich in der Marine oder selbst in der Handelsschifffahrt verlassen konnte. Deshalb mussten sie mit gutem Essen dafür sorgen, dass ihre Besatzungen zufrieden waren.«
»Sie bei der Stange halten«, sagte der Heide plötzlich. Er wirkte gealtert, wie er zitternd im warmen Regen dastand. »Befriedigung war die eine Möglichkeit, wie Piratenkapitäne ihre Leute unter Kontrolle halten konnten. Die zweite war Furcht.« Der Heide hatte keine Schwierigkeiten, Balors Blick standzuhalten.
»Und die Furcht gründet sich auf …«, begann Balor.
»Auf dem, was man zu verlieren hätte«, vollendete der Heide den Satz.
Der Ausdruck auf Balors monströsem Gesicht war schwer zu deuten - entweder Verärgerung oder Respekt.
»Du versuchst uns Motivation zu bieten«, fuhr der Heide fort.
Ich war mir nicht sicher, ob ich diesem Gespräch tatsächlich folgen konnte.
»Nicht dir«, sagte Balor, »sondern ihm.« Er nickte in meine Richtung.
Mir wurde wieder unwohl, denn ich fand, dass ich das wirklich nicht verdient hatte. Ich zeigte auf Rannu, ohne den kräftig gebauten Nepalesen anzusehen.
Balor lächelte und griff mit seinen gemein aussehenden Krallen nach dem soliden Speicherwürfel, in dem Botschafter enthalten war.
»Das ist Blödsinn«, sagte der Heide. »Lass uns darüber reden, ein Geschäft abschließen. Du bist Unternehmer. Mit dieser Pantomime demütigen wir uns selbst«, sagte er.
Sehr eloquent , dachte ich. Weiter so, Heide! Rannu hatte mich schon einmal richtig fertig gemacht. Ich hatte keine große Lust, es ein zweites Mal zu erleben, und schon gar nicht vor mehreren tausend Piraten. Ich fand nicht, dass ich ein ausgesprochen großes Ego hatte, aber solche Sachen machten einem zu schaffen, und ich konnte gut damit leben, nicht jedes Mal öffentlich Prügel einzustecken, wenn ich einem Vet begegnete. Vielleicht wollte Balor mich aus irgendeinem Grund erniedrigen. Ziemlich verrückt. Ich fühlte mich bereits ziemlich tief unten.
»Nein, wir erniedrigen uns vielmehr damit, dass wir alles auf Geschäfte reduzieren«, erwiderte Balor. Er verdrehte sein
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