Der Veteran: Roman
und nickte dann, bevor er den Fuß von meiner Brust nahm.
»Könnten wir uns vielleicht auf Schusswaffen einigen?«, fragte ich. »Leider bin ich heute nicht ganz in Topform.«
15. Kapitel
NEW YORK
Schusswaffen kamen nicht in Frage, und ich hatte an den Avenues bereits eine ganze Menge einstecken müssen. Immer noch blinkten mehrere Warnanzeigen auf meinem internen visuellen Display. Mit den wenigen Dingen, die mir zur Verfügung standen, hatte ich mich notdürftig zusammengeflickt, und meine internen Reparatursysteme gaben ihr Bestes, aber ich war trotzdem eine kaputte Maschine. Ich brauchte einen Doc und ein paar Ersatzteile. Meine Panzerung war an einigen Stellen durchlöchert und das Gewebe und die Maschinerie darunter beschädigt worden, aber meine Hauptsorge war meine gebrochene Brustplatte. Ein kräftiger Schlag, und ich konnte einen großen Teil meiner inneren Organe und Systeme vergessen.
Rannu dagegen sah gut und gesund aus, schnell und gefährlich. All das, was ich im Moment gar nicht war. Die Plattform schwankte leicht an den Spannseilen. Rannu hatte den Oberkörper freigemacht und ging ein paar einfache Übungen durch. Selbstverständlich war er schwer aufgerüstet worden, aber er hatte keine sichtbaren Prothesen. Er wandte mir den Rücken zu und machte ein paar weitere Dehnübungen. Unter den vier Buchsen im Genick war der größte Teil seines Rückens von einem Tattoo bedeckt. Es war die stilisierte Darstellung einer
vielarmigen biomechanischen schwarzen Göttin, die in jeder Hand eine Waffe hielt. Ich wusste nicht allzu viel über Religionen, was über die Gespräche hinausging, die ich mit SigTechs geführt hatte, aber dieses Bild ließ mehrere Alarmsirenen in meinem Kopf ertönen.
Ich erkannte das Bild wieder: Es war Kali, eine hinduistische Gottheit. Ich wusste, dass sie eine vielschichtige Persönlichkeit war, aber ihre Gestalt wurde häufig mit Bildern von Tod und Zerstörung in Zusammenhang gebracht. Sie war die Schutzgöttin eines Mörderkults, der sich als Thuggees bezeichnete. Eine solche Gruppe hatte es bereits vor dem FMK gegeben, zu einer Zeit, als Großbritannien über Indien geherrscht hatte, auch wenn das heutzutage kaum noch vorstellbar war. Vor vielleicht zwanzig Jahren hatte ein SigTech und Veteran aus Leicester beschlossen, den Kult wiederzubeleben.
Das war das große Problem mit den Hackern: Sie waren Fachidioten, aber sobald einer von ihnen etwas Charisma und Fantasie besaß, musste er einen Kult gründen. Der Heide war ein eher harmloses Beispiel für solche Typen. Berham nicht. Er hatte den Hinduismus pervertiert und die Thuggees wiederauferstehen lassen, um die kultische Taktik ritueller Morde zu benutzen, die kriminelle Ökonomie von Leicester zu übernehmen. Er war einer der berüchtigtsten Verbrecher von ganz Großbritannien. Er tötete Polizisten, Unternehmer, Politiker, und seine Herrschaft gründete sich auf Angst und Einschüchterung. Der größte Teil seiner Organisation war vor kurzem durch eine komplexe verdeckte Ermittlung ausgehoben worden, Berham war allerdings entkommen, und mehrere hochrangige Polizisten waren genauso wie einige Angehörige des Innenministeriums mitsamt ihren Familien Racheanschlägen zum Opfer gefallen.
Irgendwie ergab das sogar Sinn. Viele Gurkhas waren Hindus, und ich vermutete, dass Rannu einer von denen war, die
sich auf die böse Seite geschlagen hatten. Das erklärte das beschwerte Monofilament, das er in Hull benutzt hatte. Die Waffe, die die Thuggees als Markenzeichen benutzten, war eine Garrotte aus Monofilament, mit der sie ihre Opfer enthaupteten. Ich sah auch, dass er immer noch sein Kukri am Gürtel trug, ein gekrümmtes Messer, das etwa vierzig Zentimeter lang war, die traditionelle Waffe der Gurkha-Regimenter. Ich hatte sogar schon von Gurkhas gehört, die sich allein mit ihren Messern in den Kampf gegen Berserker geworfen hatte. Flüchtig hatte ich mich gefragt, warum Rolleston einen Thug engagiert hatte oder warum ein Thug bereit war, für Rolleston zu arbeiten, aber ich vermutete, dass solche Wichser eine natürliche Anziehungskraft aufeinander ausübten.
Der grollende Lärm überraschte mich, doch dann wurde mir klar, dass es der Jubel der Menge war, und plötzlich wurde ich wegen des bevorstehenden Kampfes sehr nervös.
Rannu kam auf mich zu. Aus seinen energischen Schritten wurde ein gezielter Fußtritt in meinen Bauch, wodurch ich zurückgeworfen wurde. Ich machte dasselbe mit ihm, und keiner von uns beiden
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