Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)
reicht’s.«
Die Türen schlossen sich.
»Wegen der Fluchtgefahr, du verstehst?« Photini tippte an ihre Schläfe. »Hättest dich besser melden sollen, als das Mädchen gesucht wurde.«
»Aber der Kommissar hat mir gesagt, dass er nichts von dem, was –«
»Raupach kann sich nur im gesetzlichen Rahmen taub stellen. Das hat er auch getan. Aber du hast nichts rausgelassen. Nach spätestens einem Tag will dich ein Richter sehen.«
»Was passiert dann?«
»Der sagt nur seinen Spruch auf. Aufgrund zwingender Verdachtsmomente wird Herr Mio Blönner in Gewahrsam genommen, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind. So in der Art.«
»Und wie geht es weiter?«
»Dann gehörst du uns.« Photini schenkte ihm ein komplizenhaftes Lächeln. Dann betrachtete sie die Tasten für die verschiedenen Etagen. »So sind die Vorschriften, Herzchen. Ich hab sie nicht gemacht.«
Mio schwieg. Sein Blick wanderte die Aufzugswände hoch und runter, hoch und runter. Alles, was er sich vorgenommen hatte, glitt an ihm herab und verschwand in dem Schacht, der sich unter seinen Füßen befinden musste. In einer Tiefe, die wuchs und wuchs.
»Es hieß doch, wenn ich mit der Polizei zusammenarbeite –«, begann er.
»Wir sind da.«
Die Türen gingen auf. Der Gang zum Taubenschlag sah mit seinen herunterhängenden Kabeln abbruchreif aus.
»Raupach hat dir doch erzählt, was mit Sheila passiert ist. Hat dir das nicht zu denken gegeben?«
»Ja, schon. Aber ich kann doch nichts dazu!«
»Das wird sich noch herausstellen.«
»Sie wollen mir Angst einjagen. Die Tour kenne ich!«
»Weißt du, was Sheila zu ihrem Schutz gemacht hat?«, fragte Photini.
»Zum Schutz gegen was?«
»Gegen böse Männer.«
»Woher soll ich das wissen? Ist das schon das Verhör?«
»Vernehmung, nicht Verhör. Wir sind hier nicht beim Geheimdienst. Also: Was glaubst du, hat Sheila getan, um die Dinge, die sie über sich ergehen lassen musste, einigermaßen wegzustecken?«
Bevor Mio etwas erwidern konnte, öffnete Photini die Tür zum Vernehmungsraum und ließ ihn eintreten. Sie blieb auf der Schwelle stehen.
Überall lag Sheilas Unterwäsche. Sie hatten zwei Säcke voll aus der Asservatenkammer kommen lassen. Höschen und Slips bedeckten den Schreibtisch, die Fensterbretter, den Boden. Auf den beiden Stühlen lagen Dessous mit Bündchen aus Spitze.
»Sheila hatte einen ganzen Vorrat davon«, sagte Photini in Mios Rücken.
»Warum?« Er schien es nicht zu begreifen.
»Damit sie die gebrauchten Sachen in den Müll schmeißen konnte. Nach jedem erzwungenen Geschlechtsverkehr. Mit einer Dreizehnjähigen, die schon ein wenig nach Frau aussieht – oder auch nicht, je nach Geschmack.«
»Warum?«, wiederholte Mio.
»Wegen der Schande.«
Er wich zurück. »Sind das wirklich ihre …«
»Wir machen dir hier nichts vor, Mio. Wir sagen dir die Wahrheit. Wir zeigen sie dir. Du kannst sie sehen und anfassen.« Photini nahm ein Höschen in die Hand und reichte es ihm. Er wich zurück. »Für Sheila war das so etwas wie ein Küchenkrepp. Sie muss ihr ganzes Taschengeld dafür ausgegeben haben, wenn’s überhaupt gereicht hat.«
Mio sackte auf einen Stuhl. »Es gab da einen Mann«, stammelte er. »Ich hab ihn nur einmal gesehen, nein, zweimal.«
Er bemerkte, dass er auf einem von Sheilas Slips saß, und zog ihn vorsichtig hervor. Es war, als entfernte er ein Tier, das er noch nie im Leben gesehen hatte. Er hatte Angst, dass es sich bewegte.
Photini setzte sich ihm gegenüber, die Kameras zeichneten alles auf. »Einmal, zweimal. An welches Mal willst du dich nicht erinnern?«
Unter dem Tisch schlug sie sich mit der Faust auf den Oberschenkel. Verdammt! Sie durfte Mio nicht so offensichtlich unter Druck setzen!
»Erzähl«, korrigierte sie. »Wenn du magst.«
Mio hatte ihren Fehler nicht mitbekommen. Er war mit seinem inneren Konflikt beschäftigt. »Ich hab die beiden vor einer Schneiderei gesehen. Von so einem Türken.«
»Wo war das?«
»In der Nähe der Schule. Er hat nach dem Schlussgong auf sie gewartet, glaub ich.«
»Wer hat auf Sheila gewartet?«
Mio senkte den Kopf und nahm ihn zwischen die Hände. Er schloss die Augen. Er öffnete sie. Auf dem Boden lag ein geblümter Slip, völlig belanglos, wenn man seine Geschichte nicht kannte.
»Der Türsteher vom Bass Club. Keine Ahnung, wie er heißt.«
»Wie sieht er aus?«
»Ihm fehlt ein Auge.«
»Und?«
»Groß. Muskeln. Kurze Haare. Wie so ein Typ eben aussieht.«
»Versuch dich zu
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