Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)
Niedergangs, fanden sich die mutmaßlichen Tatwaffen. Effie Bongartz deutete auf einen Baseballschläger und einen Schlagstock, die bereits in Plastikbeuteln steckten. Goodens hatte außerdem eine Pistole bei sich getragen, eine alte Walther. Zaida von der Elfenbeinküste hatte jedoch keinen Schuss gehört, da war sie sicher.
Raupach fragte sich, ob er dieses Blutbad hätte verhindern können, wenn er mit Mio strenger verfahren wäre. Wenn er hartnäckiger geblieben wäre und es aus dem Jungen herausgequetscht hätte. Er hatte geahnt, dass sie Aalund nicht lebend fangen würden. Aber Goodens? Offenbar hatte der Mann einen viel größeren Anteil an den zurückliegenden Morden, als Raupach angenommen hatte. Er schien Sheilas Verbündeter gewesen zu sein, Komplize, Mittäter, Henkersknecht, ohne eigenes Motiv. Die letzte Hinrichtung war ihm allerdings misslungen.
Kurz vor Mitternacht rief Photini aus dem Krankenhaus an. Sheila habe eine schwere Schädelfraktur und eine üble Platzwunde, sei aber außer Lebensgefahr.
23. Dezember
Ein blasser, trockener Morgen zog herauf, fast eine Wohltat nach dem Regen der letzten Tage. Raupach war mit Heide und Woytas noch bis eins am Hafen gewesen. Es war ihnen klar geworden, warum sie Aalund nicht hatten finden können. Sein Unterschlupf war perfekt gewesen. Die meisten der Buden, Hütten und Verschläge, die den ungepflegten Kai säumten, waren unbewohnt, ebenso die wenigen Boote, die dort vor Anker lagen. Im Sommer war hier sicher mehr los. Es gab sogar eine Saisonkneipe namens Dock 9. Doch jetzt im Dezember war der Hafen Köln-Mülheim ein ungemütlicher, abweisender Ort.
Die Zeugin aus Afrika war inzwischen im Präsidium, Raupach konnte ihr das nicht ersparen, ihre Personalien mussten erfasst werden. Sie gehörte zu den wenigen bedauernswerten Geschöpfen, die hier ihr Leben fristeten, in Wohncontainern, deren Schlösser geknackt waren von irgendeiner Schleuserbande. Ihre Kolleginnen hatten sich im Laufe der Nacht still und leise aus dem Staub gemacht. Nur Zaida war geblieben. Raupach hatte keine Ahnung, wie er ihre Abschiebung verhindern sollte.
Er hatte Photini nach Hause geschickt und ein paar Stunden im Krankenhaus gedöst. Das Personal war instruiert, niemanden in Sheilas Zimmer zu lassen außer Raupach und Photini. Die Maßnahme war nicht ungewöhnlich, sie wurde bei wichtigen Zeugen sogar relativ oft angewandt. Ein Krankenhaus war ein weitgehend ungesicherter Bereich, da konnte jedermann hereinspazieren, der sich als Besucher ausgab.
Sheila war nicht ansprechbar und würde tagelang nicht vernehmungsfähig sein. Sie hatte großes Glück gehabt. Bei dem Schädelbruch war es zu keiner Hirnblutung gekommen. Dennoch hatte sie ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Jetzt war es wichtig, dass die betroffenen Bereiche abschwollen. Das Mädchen lag nicht im Koma, aber da sie Beruhigungsmittel bekam, schlief sie tief und fest.
Raupach machte sich am Waschbecken frisch. Dann betrachtete er Sheila und rief sich das Unvorstellbare noch einmal vor Augen. Bis vor kurzem hatte er keinen handfesten Beweis dafür gehabt, dass sie direkt an den Musiker-Morden beteiligt war. Sie konnte sich bei Goodens auch einfach versteckt haben, ohne zu wissen, dass sie von der Polizei gesucht wurde. Aber Sheilas Skizzen und die Tatsache, dass sie sich offenbar auf Aalunds Boot geschlichen hatte, zusammen mit Goodens, legten ein eindeutiges Tatschema nahe. Die beiden hatten die Morde gemeinsam geplant und ausgeführt.
Von der Pathologie kam um sieben Uhr früh eine weitere Bestätigung: Clausing hatte die Blutspuren an Lübbens Leiche mit Goodens’ Blut verglichen. Der Türsteher hatte Lübben den Hals umgedreht. Wer später den Rest besorgt hatte, war nach wie vor unklar. Vielleicht war es doch Aalund gewesen, aus Angst, dass die Vergewaltigungen sonst herauskämen.
Um acht Uhr traf Photini ein. Ein junger Polizist namens Reintgen, der schon zu den Befragungsteams in Nippes gehört hatte, begleitete sie auf Raupachs Anordnung. Photini sollte hier nicht allein Wache schieben.
»Wir bleiben vorsichtig.« Der Kommissar zog seine Jacke an. »Wir wissen nicht, was das Mädchen gesehen hat und wer sonst noch am Hafen dabei war. Land läuft immer noch da draußen herum.«
»Dann verpasse ich ja das große Finale heute Abend«, sagte Photini bedauernd.
»Lass diese flapsigen Bemerkungen, Fofó.« Raupach schlug einen strengeren Ton an. »Du wirst hier gebraucht. Außerdem muss sich jemand um Sheila
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