Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
Tages sehen wir uns wieder, mit dem Kopf des Richters, auf seinen Dreizack gespießt.«
    »Adamsberg, ich habe mich geirrt.«
    Der Kommissar sah überrascht auf.
    »Ihr Ego ist nicht so groß wie dieser Tisch, sondern wie das Münster in Straßburg.«
    »Das Sie nicht mögen.«
    »So ist es.«
    Adamsberg lief auf den Ausgang zu. Im Büro, auf den Gängen und in der Halle war ein Schweigen niedergegangen wie ein Regenschauer und hatte Stimmen, Bewegungen und die Geräusche von Schritten mit sich genommen. Er war schon vor der Tür, als er den jungen Brigadier bemerkte, der einige Meter neben ihm herlief.
    »Kommissar, die Geschichte mit dem Bären?«
    »Kommen Sie mir nicht hinterher, Brigadier, es könnte Sie Ihre Stelle kosten.«
    Er zwinkerte ihm kurz zu und ging zu Fuß davon, ohne einen Wagen, der ihn nach Straßburg zum Bahnhof hätte bringen können. Aber im Gegensatz zu Vétilleux waren einige Kilometer zu Fuß für den Kommissar kein »ganz schönes Ende«, sondern ein Spaziergang, der kaum ausreichte, um den neuen Feind, den Richter Fulgence gerade seiner Sammlung hinzugefügt hatte, aus seinen Gedanken zu verjagen.

12
     
    Sein Zug nach Paris ging erst in einer guten Stunde, und Adamsberg beschloß, wie um Trabelmann zu trotzen, dem Münster von Straßburg die Ehre zu erweisen. Er ging einmal vollständig darum herum, denn Trabelmann zufolge war es ja sein Schicksal, daß sein Ego die gewaltigen Dimensionen dieses anderen Zeitalters erreichte. Dann lief er durch das Kirchenschiff, die Chorumgänge und widmete sich den Informationstafeln. Bauwerk in reinstem und kühnstem gotischem Stil. Was wollte Trabelmann denn mehr? Er sah zur Turmspitze hinauf, einem Meisterwerk mit einer Höhe von 142 Metern. Er selbst besaß gerade die vorschriftsmäßige Größe, um bei der Polizei aufgenommen zu werden.
    Als er im Zug durchs Bordbistro lief, ließen die dort aufgereihten Fläschchen ihn wieder an Vétilleux denken. In diesem Augenblick führte Trabelmann ihn sicherlich schon auf den Pfad des Geständnisses wie ein trunkenes Tier ins Schlachthaus. Es sei denn, Vétilleux erinnerte sich an seine inständige Bitte und widerstand. Merkwürdig, wie sehr er es dieser unbekannten Josie verübelte, daß sie Vétilleux mitten in seinem Abstieg hatte sitzenlassen, während er selbst doch Camille von heut auf morgen verlassen hatte.
     
    Auf dem Kommissariat wurde er von Kampfergeruch überrascht und blieb im Konzilsaal stehen, wo Noël mit aufgeknöpftem Hemd dalag, die Stirn auf die verschränkten Finger gedrückt, und sich von Lieutenant Retancourt den Nacken massieren ließ. Ihre Behandlung lief von den Schultern bis zum Haaransatz hinauf, wobei ihre knetenden Kreis- und Längsbewegungen Noël in einen Zustand kindlicher Glückseligkeit getaucht zu haben schienen. Er sprang auf, als er die Anwesenheit des Kommissars bemerkte, und knöpfte eilig sein Hemd zu. Nur Retancourt ließ keinerlei Verlegenheit erkennen, sie verschloß in aller Ruhe ihre Salbentube und grüßte Adamsberg dabei kurz.
    »Ich stehe Ihnen gleich zur Verfügung«, sagte sie zu ihm.
    »Noël, keine heftige Bewegung mit dem Hals in den nächsten zwei oder drei Tagen. Und wenn Sie etwas Schweres tragen müssen, benutzen Sie eher Ihren linken Arm als den rechten.«
    Dann kam Retancourt zu Adamsberg, während Noël aus dem Raum verschwand.
    »Durch diese plötzliche Kälte«, erklärte sie zwanglos, »verspannt sich die Muskulatur, und manch einer kriegt einen steifen Hals.«
    »Und Sie können diese Muskeln wieder in Ordnung bringen?«
    »Ein bißchen schon. Ich habe die Dossiers für die Quebec-Mission vorbereitet, die Formulare sind abgeschickt, und die Visa liegen bereit. Die Flugtickets treffen übermorgen bei uns ein.«
    »Danke, Retancourt. Ist Danglard in der Gegend?«
    »Er erwartet Sie. Gestern abend hat er das Geständnis von Hernoncourts Tochter erhalten. Der Anwalt beabsichtigt, auf vorübergehenden Wahnsinn zu plädieren, was übrigens auch der Wahrheit zu entsprechen scheint.«
     
    Danglard stand auf, als er eintrat, und reichte ihm mit einer gewissen Verlegenheit die Hand.
    »Wenigstens geben Sie mir die Hand«, sagte Adamsberg mit einem Lächeln. »Für Trabelmann kommt das nicht mehr in Frage. Reichen Sie mir den Bericht Hernoncourt zur Unterschrift, und mein Kompliment zum Abschluß der Ermittlung.«
    Während der Kommissar seine Unterschrift daruntersetzte, beobachtete Danglard ihn, um herauszubekommen, ob die Bemerkung ironisch gemeint

Weitere Kostenlose Bücher