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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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ausgeruht und in Form zu sein schien. Daß er sich heil auf dem Boden der Hauptstadt wiederfand, eröffnete ihm neue Horizonte und eine nachsichtige, optimistische Sicht auf die Dinge. Was ihn, bevor er in den Bus stieg, auch bewog, auf Adamsberg zuzugehen.
    »Tut mir leid wegen neulich abend«, sagte er zu ihm, »ich bitte Sie um Entschuldigung. Ich wollte das nicht sagen.«
    Adamsberg nickte kurz, dann gingen alle Mitglieder der Brigade auseinander. Ein Tag zum Ausruhen und Verarbeiten.
    Und zum Wiedereingewöhnen. Im Gegensatz zu den riesigen kanadischen Weiten kamen ihm Paris eng, die Bäume kümmerlich, die Straßen überfüllt und die Eichhörnchen wie Tauben vor. Es sei denn, er war es, der kleiner zurückgekehrt war. Er mußte nachdenken, die Proben in Streifen und Stränge trennen, daran erinnerte er sich.
     
    Kaum war er zu Hause, brühte er sich einen richtigen Kaffee, setzte sich an den Küchentisch und machte sich an die für ihn eher ungewohnte Aufgabe des geordneten Nachdenkens. Karteikarte, Bleistift, Wabenzellenplatte, Wolkenproben. Was dabei herauskam, war eines Lasersequenzers noch nicht würdig. Nach einer anstrengenden Stunde hatte er nur wenig notiert.
    Der tote Richter, der Dreizack. Raphaël. Die Bärenkrallen, der Pinksee, der Teufel im Weihwasser. Der Urfisch. Vivaldis Warnung. Der fremde Vater, 2 Labradors.
    Danglard: »In meinem ganz persönlichen Buch sind Sie ein richtiger Idiot, Kommissar.« Sanscartier der Gute: »Such deinen verdammten Dämon, und solange du drauf wartest, ihn endlich am Schlafittchen zu packen, fall nicht auf.«
    Besäufnis. Zweieinhalb Stunden auf dem Pfad.
    Noëlla. Vom Halse geschafft.
     
    Das war alles. Und noch immer ungeordnet. Eine positive Sache allerdings stach aus diesem Durcheinander hervor: Er war dieses verrückte Mädchen los, und das war schon mal ein befriedigender Schlußpunkt.
     
    Beim Auspacken fand er die Salbe von Ginette Saint-Preux. Nicht gerade das, was man als Reisesouvenir bezeichnen konnte, obgleich ihm in dieser Tube die ganze Liebenswürdigkeit seiner Kollegen in Quebec versammelt zu sein schien. Verdammt gute Schumms. Um keinen Preis durfte er vergessen, Sanscartier parfümierte Seife zu schicken. Was ihn plötzlich daran erinnerte, daß er nichts für Clémentine mitgebracht hatte, nicht mal einen Topf Ahornsirup.

29
     
    Der Haufen Arbeit, der ihn an diesem Donnerstagmorgen im Büro erwartete, arrangiert zu fünf hohen Stapeln Papier auf seinem Tisch, hätte ihn am liebsten zur Seine flüchten lassen, selbst wenn ihm diese gegenüber dem gewaltigen Ottawa River nun schlichtweg dürftig erschien. Dennoch reizte ihn solch ein Spaziergang weit mehr als das Akten-Durchlesen. »Verlesen«, hätte Clémentine gesagt. Gemüse verlesen, Akten verlesen.
    Seine erste Handlung bestand darin, an seiner Pinnwand eine Postkarte festzustecken, auf der inmitten roter Blätter der Ottawa River seine Wasserfälle tosen ließ. Er trat zurück und begutachtete die Wirkung, die ihm so kläglich erschien, daß er die Karte gleich wieder entfernte. Ein Foto konnte den eisigen Wind nicht wiedergeben, nicht das Dröhnen des Wassers oder das wütende Geschnatter des Ringelganters.
    Den ganzen Tag »verlas« er Akten, prüfte, unterschrieb, sortierte, machte sich ein Bild von den Fällen, die in den zurückliegenden vierzehn Tagen auf die Brigade zugekommen waren. Auf dem Boulevard Ney hatte ein Kerl einen anderen niedergeknüppelt und als Krönung seines Werks noch auf ihn draufgepinkelt. War nich gerade ein Plus, auf die Leiche zu pissen, Mensch. Den würde er dank seiner Pisse kräftig bei den Nüssen packen.
    Er zeichnete die Berichte seiner Lieutenants ab und unterbrach seine Arbeit für einen Gang zum Getränkeautomaten, um einen »Normalen« zu ziehen. Auf einem der hohen Hocker saß Mordent wie ein dicker grauer Vogel auf einem Schornstein und trank eine Schokolade.
    »Ich habe mir erlaubt, Ihren Fall in den Elsässer Neuesten Nachrichten ein wenig zu verfolgen«, sagte er und wischte sich die Lippen ab. »Vétilleux ist in U-Haft, der Prozeß findet in drei Monaten statt.«
    »Er war es nicht, Mordent. Ich habe alles getan, um Trabelmann davon zu überzeugen, aber nichts zu machen, er glaubt mir nicht. Niemand.«
    »Nicht genügend Beweise?«
    »Nicht einer. Der Mörder gehört zur Spezies der immer wieder Untertauchenden, seit Jahren schon rennt er im Nebel.«
    Er würde Mordent nicht erzählen, daß er längst tot war, und so das Vertrauen seiner

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