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Der Visionist

Der Visionist

Titel: Der Visionist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose M J
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daran, die riesige Statue hinauszuschaffen, den Schmuck und die Artefakte. Sie ließen nichts zurück außer zwei Leichen, die im Staub und Geröll von Jahrhunderten lagen.

38. KAPITEL
    Das Balthazar war ein großes und lautes Bistro, das genauso gut auf den Pariser Boulevard Saint-Germain oder die Spring Street in SoHo gepasst hätte. Ali Samimi beobachtete, wie Deborah Mitchell den rauchgeschwängerten Raum mit den geschäftigen Kellnern und der dicht umlagerten Bar in sich aufnahm, und wartete, ob seine Wahl ihr zusagte oder nicht.
    „Ali, das ist ja wunderbar hier! Ich kann gar nicht glauben, dass ich nichts von diesem Ort gewusst habe. Ich gehe definitiv nicht oft genug in der City aus.“
    Samimi lächelte, während der Oberkellner sie an der Warteschlange vorbei in eine Ecknische geleitete. Sie schlüpften hinein und sahen einander über die weiße Tischdecke an.
    „Sie müssen hier Stammgast sein“, stellte sie fest, und es freute ihn, dass er seine Mittagspause investiert hatte, um hierher zu fahren und dem Oberkellner vierzig Dollar zuzustecken.
    „Meistens bin ich zu Frühstücksmeetings hier. In letzter Zeit war ich zu beschäftigt, um abends so oft zum Essen auszugehen, wie ich es gerne täte.“ Er wollte bei ihr nicht den Eindruck erwecken, ein Frauenheld zu sein. „Wie wäre es mit einem Glas Wein?“
    „Sehr gerne.“
    Samimi sah sich die Weinkarte an, dann gab er dem Kellner ein Zeichen, und als er kam, bestellte er den 2006er Marcel Lapierre. Der Kellner betete die Empfehlungen des Küchenchefs herunter, dann ging er, um den Wein zu holen, und während Deborah die Speisekarte las, musterte Samimi sie über den Rand seiner Brille. Sie bemerkte es, und auf ihren Wangen breitete sich eine feine Röte aus. Er lächelte sie an. Sie sollte spüren, dass er sie charmant fand, ohne sie anmachen zu wollen.
    „Wie kommen Sie mit der Renovierung des Islamischen Flügels voran?“, fragte er.
    Sie schüttelte traurig den Kopf, und fast schon bereute er seine Frage. Das Letzte, was er wollte, war die Stimmung zu ruinieren, aber er war nun einmal hier, um herauszufinden, was im Museum vor sich ging. Und zwar von einem der Kuratoren, nicht nur von den Arbeitern.
    „Haben Sie gelesen, was passiert ist?“
    Wie sollte er antworten? Er war sich nicht sicher. Wenn er Ja sagte, wäre sein Interesse an den Interna des Met wohl zu auffällig. „Nein, das muss mir wohl entgangen sein. Ich hoffe, nichts Schlimmes?“
    „Unser Bauleiter ist verunglückt.“
    „Wie schrecklich. Darf ich fragen, wie?“
    „Er fiel auf dem Nachhauseweg auf die U-Bahn-Schienen.“
    „Kann es ein Selbstmord gewesen sein?“
    „Die Polizei hat ermittelt, und ich glaube nicht. Ich kannte ihn. Er war ein wunderbarer Mann …“
    „Wäre es möglich, dass er gestoßen wurde? Ich habe gehört, dass es Leute mit psychischen Störungen gibt, die Wildfremden so etwas antun.“
    Sie schauderte.
    „Mein Beileid für Ihren Verlust! Wie lange hat er für das Museum gearbeitet?“
    „Technisch gesehen arbeitet – arbeitete er nicht für das Met, sondern für das Bauunternehmen Philips. Das hat seit sechzig Jahren alle Renovierungen im Museum gemacht. Er hat an acht Renovierungen mitgearbeitet.“
    „Hatte Keither Familie?“, fragte er, gerade als der Kellner mit dem Wein und den Gläsern zurückkam und sich daranmachte, die Flasche zu entkorken. Samimi war wütend auf sich selbst. Wie konnte er sich nur einen solchen Patzer leisten, den Namen des Mannes verwenden, bevor sie ihn genannt hatte? Hatte sie es bemerkt? Würde es ihr später auffallen?
    „Ja. Zwei Söhne und seine Frau. Ich habe sie alle kennengelernt.Die Arbeiter sind völlig untröstlich. Abgesehen von der Tragödie ist es auch ein großes Problem für das Museum. Niemand will, dass sich deswegen die Arbeiten am Flügel verzögern, aber das ist leider unvermeidlich.“
    Es gefiel ihm, dass sie das Wort untröstlich verwendet hatte. Ihre Intelligenz machte einen großen Teil ihres Reizes aus.
    Der Kellner schenkte Samimi ein. Er nahm einen Schluck und nickte. Als der Kellner ihre beiden Gläser füllte, schwiegen Deborah und Samimi für den Augenblick, aber das Schweigen zwischen ihnen war weder gezwungen noch unbehaglich.
    Sobald der Kellner fort war, hob Samimi sein Glas zu einem angedeuteten Trinkspruch. „Auf den neuen Flügel, ohne weitere Tragödien!“
    „Danke.“ Sie nahm einen Schluck. „Er ist ausgezeichnet.“
    Er nickte. „Freut mich, dass er Ihnen

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