Der Visionist
schmeckt.“
Sie streckte die Hand aus und legte ihm die Finger auf den Arm. „Ich danke Ihnen für heute Abend! Seit dem Beginn der Renovierungsarbeiten habe ich so gut wie kein soziales Leben mehr.“ Wieder errötete sie.
Samimi war von ihrer intimen Geste und ihren Worten berührt.
„Aber gerne! Und während es mir leidtut, wie hart Sie arbeiten müssen, muss ich gestehen, dass ich Sie immer noch um Ihre Aufgabe beneide.“
„Was tun Sie bei der Botschaft? Gefällt es Ihnen nicht?“
„Doch“, beantwortete er nur die Hälfte ihrer Frage. „Aber es ist nicht so geheimnisvoll und interessant wie Ihr Job – Ihr Leben im Met verbringen zu können mit Kunstschätzen und Meisterwerken. Wie hässlich die Welt da draußen auch ist: Sie haben einen Zufluchtsort.“
Einen Augenblick lang schien sie gedankenverloren, und er gab ihr einen Moment Zeit für sich. Er war sensibel für ihre Bedürfnisse . Diesen Ausdruck hatte eine seiner ersten Freundinnenin New York benutzt, als er sie gefragt hatte, welche Eigenschaft sie an einem Mann am meisten schätzte. Das sei sogar noch wichtiger als seine Qualitäten als Liebhaber, hatte sie ihm gesagt.
Samimi versuchte, mindestens eine Lektion von jeder Frau zu lernen, mit der er zusammen war. Er hatte als linkischer Trottel angefangen, als er vor drei Jahren nach New York gekommen war, aber die letzte Frau, mit der er ins Bett gegangen war, hatte ihn charmant genannt.
Das Wort hatte er nachschlagen müssen, aber er war von seiner Bedeutung außerordentlich erfreut gewesen. Ja, er wollte charmant sein.
„Das Museum ist ein Refugium, aber manchmal hat das auch seine Nachteile. Es verleitet einen, zu glauben, dass es wahre Kunstliebhaber gibt, denen es nicht nur um Kommerz und Macht geht.“
„Aber die gibt es doch, oder nicht?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Eine Handvoll. Nicht genug.“
„Gott sagte, einer ist genug.“
„Ein Bibelzitat?“
„Sind Sie überrascht?“
„Ein wenig, aber das sollte ich nicht. Bitte entschuldigen Sie … Sie sind so unglaublich gebildet. Ich hätte erwarten sollen, dass Sie die Bibel gelesen haben.“
„Ist es wohl sehr unhöflich, wenn ich Sie frage, woher Ihre Vorfahren stammen?“
Sie lachte. „Nein, nicht unhöflich, aber reden wir doch über die Gegenwart, nicht die Vergangenheit. Erzählen Sie mir mehr über diesen mysteriösen Mann, der will, dass das Met seinen Pokal ausstellt.“
Samimis Vater hatte ihm einmal gesagt, dass nichts anziehender war als eine Frau, die ihre Geheimnisse wahrte. Er hatte nie verstanden, was er meinte, aber jetzt, wo er Deborahgegenübersaß, hatte er sein erstes Aha-Erlebnis. Diese Frau hatte wahrscheinlich ein Leben voller Enttäuschungen, Interessen, Frustrationen und Hoffnungen, von denen Samimi absolut keine Ahnung hatte, und dieser Gedanke faszinierte ihn genauso wie ihre runden Hüften, ihre prallen Brüste, ihr dunkles Haar und ihre Schüchternheit. Sie berührte ihn auf eine primitive Art, die seinen Intellekt umging.
„Haben Sie schon gewählt?“, fragte der Kellner, der mit gezücktem Block und Stift am Tisch erschienen war.
Während Samimi zuhörte, wie Deborah die französische Zwiebelsuppe und als Hauptgang das gebratene Hähnchen bestellte, fragte er sich, ob es eine gute Idee war, Gefühle für sie zuzulassen. Wenn der Plan schiefging und sie gezwungen waren, den Sprengstoff zu zünden, wäre er für ihren Tod verantwortlich.
39. KAPITEL
„Wir haben Einladungen von Trevor und Davenport Talmage an Frederick Law Olmsted, Bronson Alcott, Walt Whitman und andere Transzendentalisten gefunden, in diesem Raum zu speisen. Es gibt eine ganze Schachtel nur mit handgeschriebenen Speisekarten, zusammengestellt vom kreolischen Koch, der über fünfundzwanzig Jahre im Dienst der Familie war, und Dankesschreiben für die Essenseinladungen, mit Anspielungen auf lebhafte Diskussionen über antike Reinkarnationslehren. Elgin hat sogar die Rechnung für unsere Tiffanylampe mit den Glyzinien gefunden.“ Malachai Samuels sah zu der Glaslampe in Lavendel- und Grüntönen auf. „In dieser Korrespondenz ist die ganze Geschichte unserer ersten hundert Jahre festgehalten.“
Einmal die Woche traf sich der Vorstand der Phoenix Foundation zum Mittagessen, um über ihre Patienten zu reden, sich auszutauschen und über die neusten Entwicklungen in ihrem Feld auf dem Laufenden zu bleiben. Als Malachai ihnen jetzt die Entdeckungen ihres neuen Bibliothekars beschrieb, hörten Iris Bellmer
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