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Der Visionist

Der Visionist

Titel: Der Visionist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose M J
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halben Stunde“, sagte Frances, nachdem sie sie begrüßt hatte.
    „Ich habe Veronica von der Schule abgeholt und wollte eigentlich zu Fuß hierher laufen. Aber dann hat es doch zu sehr geregnet. Stört es, wenn wir solange warten?“
    „Nein.“ Frances deutete zum Wartebereich mit den Möbeln in Kindergröße und den Spielen, Büchern und Puzzles. „Veronica findet sicher etwas, mit dem sie spielen möchte. Ich wollte Sie nur wissen lassen, dass Dr. Samuels kurz wegmusste. Zu Ihrem Termin ist er wieder zurück.
    Das Chess & Checkers Haus befand sich mitten im Central Park an der West 65. Straße, ein paar Schritte von der Dairy entfernt, dem Besucherzentrum des Parks, das in der alten Molkerei untergebracht war. Malachai Samuels saß allein an einem der Steintische. Vor über einer halben Stunde hatte er die weißen und schwarzen Figuren auf dem Schachbrett aufgebaut. Seither spielte er gegen sich selbst. Alle paar Minuten schaute er genervt auf seine Uhr, als würde er sich über seinen verspäteten Spielpartner ärgern. Genau diesen Eindruck wollte er erwecken, auch wenn sich niemand sonst in dem Haus befand und auch in der Nähe kein Mensch zu sehen war.
    Malachai ließ sein Büro einmal die Woche nach Abhörwanzen durchsuchen, allerdings wusste er, dass das Gebäude der Phoenix Foundation wahrscheinlich mit starken Richtmikrofonen abgehört wurde. Bestimmte Unterhaltungen führte er deshalb lieber nicht in seinem Büro, sondern irgendwo draußen. Frances dachte, er habe einen Termin zur Physiotherapie.
    Ein glatt rasierter Mann Mitte dreißig betrat das Spielehaus. Er trug leichte Freizeithosen, Slippers und ein blaues Hemd.
    Malachai wischte die Schachfiguren vom Tisch in eine Holzkiste und stand auf, um Reed Winston zu begrüßen.
    „Tut mir leid, dass ich so spät komme.“ Winston grinste etwas dümmlich.
    „Mir auch, weil ich gleich gehen muss. Aber ich habe auch ohne dich eine ganz gute Partie gespielt“, sagte Malachai, der weiterhin seine Rolle spielte.
    Winston folgte seinem Chef nach draußen. Der Regen hatte etwas nachgelassen, sie brauchten keinen Schirm. Sobald sie außer Hörweite vom Spielehaus waren, fragte Malachai Winston nach Neuigkeiten.
    „In Wien hat sich nichts getan. Niemand von der Gesellschaft hat versucht, Kontakt mit Kunstexperten, Archäologen oder Historikern aufzunehmen.“
    „Wie sieht es mit Sprachwissenschaftlern aus?“
    Winston schüttelte den Kopf. „Der Tod von Dr. Aldermann hat alle doch ziemlich mitgenommen. Es wurde noch nicht einmal ein Nachfolger berufen. Um die verschwundene Liste kümmert sich zurzeit niemand.“
    „Was ist mit der österreichischen Polizei?“
    „Keinerlei Fortschritte.“ Er grinste.
    Malachai hielt das Grinsen seines Spions für unangebracht, aber er sagte nichts. Sie hatten eine Weggabelung erreicht, und für einen kurzen Spaziergang mussten sie eigentlich nach rechts abbiegen auf den Hauptweg, der zum Central Park West führte. Doch Malachai hielt sich links, und Winston folgte ihm unter den Schatten eines steinernen Torbogens.
    Wer immer den gleichen Gewohnheiten folgte, machte die Sache einfach für etwaige Verfolger. Das war der Grund, warum Malachai sein Verhalten häufig änderte. Theoretisch war ihm auch klar, dass er besser ein halbes Dutzend Leutebeschäftigte, die alle unterschiedliche Aufgaben hatten und nichts voneinander wussten. Einer, der sämtliche Informationen in der Hand hielt, konnte ihm gefährlich werden. Doch bei Winston machte Malachai eine Ausnahme. Der ehemalige Agent von Interpol hielt ihn über die Ermittlungen auf dem Laufenden, und weil Winston über sämtliche Informationen verfügte, konnte er Verbindungen erkennen, die ihm sonst entgangen wären. Malachai konnte sich nicht ganz so absichern, wie er es für gewöhnlich tat. Wenn die Erinnerungswerkzeuge auf der Liste noch existierten, dann waren sie entweder versteckt in einer Ruine oder im privaten Kuriositätenkabinett einer alten Dame. Oder sie befanden sich an Orten, wo sie für alle sichtbar waren, wurden in einem Museum ausgestellt oder in einem Antiquitätengeschäft zum Verkauf angeboten. Seine Suche konnte noch Jahre in Anspruch nehmen, doch so viel Zeit blieb seinem Vater nicht. Und Malachai musste herausfinden, was seinen früheren Leben geschehen war. Wenn seine Vermutung stimmte, dann wollte er den alten Mann noch vor dessen Tod damit konfrontieren.
    „Ich möchte einen Bibliothekar einstellen, der die gesamte Korrespondenz der Stiftung

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