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Der Visionist

Der Visionist

Titel: Der Visionist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose M J
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mehr im Geschäft. Ich kann Ihnen nicht helfen.“
    Hinter Jacobs sah Lucian in den Flur der Wohnung. In all den Jahren war dort nichts verändert worden. „Es dauert nur ein paar Minuten.“
    „Fragen Sie schon, was Sie wissen wollen, und dann lassen Sie mich in Frieden.“
    „Vor zwanzig Jahren brachte einer Ihrer Kunden Ihnen ein Gemälde, das neu gerahmt werden sollte …“
    Jacobs lehnte sich schwer gegen den Türrahmen.
    Lucian ließ ihn nicht aus den Augen und fuhrt fort: „Es war ein Matisse …“
    Jacobs sackte in sich zusammen. Er griff nach dem Türrahmen und musste sich daran festhalten.
    „… mit dem Titel Blick …“
    Jacobs verzog das Gesicht.
    „… auf St. Tropez .“
    Jacobs zuckte vor ihm zurück.
    „Das Gemälde wurde am 16. Mai aus der Werkstatt in Ihrem Geschäft gestohlen.“ Lucian hatte die Stimme zu einem Flüstern gesenkt. „Sie erinnern sich an den Tag, nicht wahr?“
    Jacobs brachte kaum ein Nicken zustande, als wäre sein Kopf zu schwer, um ihn zu bewegen. Ganz so schwierig hatte Lucian sich diesen Besuch nicht vorgestellt. Er ärgerte sich über sich selbst. Matt Richmond hätte besser mit Jacobs sprechen sollen, wie es Douglas Comley gleich vorgeschlagen hatte. Aber nun stand er wieder da, wo er vor zwanzig Jahren gestanden hatte. Dies war sein Fall, und er würde ihn zu Ende bringen.
    „Mr Jacobs, gestern ist ein Gemälde aufgetaucht, von dem wir glauben, dass es dieser Matisse ist. Aber es gibt keine Möglichkeit, die Echtheit des …“
    „Auf keinen Fall!“, unterbrach ihn Jacobs, noch bevor Lucian seine Bitte hatte aussprechen können. Der alte Mann schüttelte den Kopf, als ob er dadurch eine Wand zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart errichten könne.
    „Bitte, darf ich Ihnen erkl…“
    „Sie …“ Jacob starrte ihn an. „Ich weiß, wer Sie sind!“ Er brüllte die Worte laut heraus, als ihm schlagartig die Zusammenhänge klar wurden.
    „Was ist denn los?“
    Lucian konnte die Frau hinter der halb offenen Tür nicht sehen, doch ihre Stimme war klar. Trotz der unüberhörbaren Sorge lag eine Leichtigkeit darin, als spiele jemand auf den oberen Oktaven eines gut gestimmten Klaviers.
    Er blickte die Frau an, als sie langsam in sein Blickfeld kam. Ihre Haut war sehr hell, weißblonde Haare fielen ihr in die Stirn. Sie reichten knapp bis zu ihren Schultern und glänzten wie poliertes Metall. Sie trug ein ärmelloses cremefarbenes Hängerkleid und goldene Ballerinas. Alles an ihr schien zu leuchten. Später wurde Lucian klar, dass die Sonne ins Wohnzimmer schien und sie von der Seite angestrahlt hatte, doch indiesem ersten Moment kam es ihm vor, als wäre sie von einer leuchtenden Aura umgeben.
    „Ist mit dir alles in Ordnung?“, fragte die Frau Jacobs. Sie nahm seinen Arm und bot ihm mit der eleganten Geste an, sich auf sie zu stützen.
    Er schaute sie aus seinen feuchten Augen an und versuchte zu lächeln. Doch er schaffte es gerade, die Mundwinkel ein bisschen zu heben. Jacobs sah aus wie jemand, der gerade ein Gespenst gesehen hat.
    Und dieses Gespenst war Lucian.
    „Ist alles in Ordnung?“, fragte die Frau noch einmal. Ihre Stimme war weich und gleichzeitig heiser, wie Samt, der sich auch anders anfühlte, je nachdem, ob man gegen oder mit dem Strich darüberglitt.
    Jacobs nickte, aber das schien sie kaum zu beruhigen. Lucian konnte ihr die Sorge nicht verdenken. Wahrscheinlich hatte sie das Gebrüll gehört, und Jacobs ging es ganz offensichtlich nicht gut. Sie wandte sich Lucian zu. Ihre Augen hatten die Farbe von feurigem Bernstein, wie Honig, der von elektrifizierten Bienen gesammelt worden war.
    „Ich bin vom FBI …“, setzte Lucian an.
    „Ihm geht es nicht gut“, unterbrach sie ihn. „Ist das wirklich nötig?“
    „Ja. Es tut mir leid.“
    Sie runzelte die Stirn. „Kann ich ihn wenigstens zuerst ins Wohnzimmer bringen, damit er sich setzen kann?“
    „Sicher. Bitte, tun Sie das.“
    „Ich bin nicht krank. Ich komm schon noch allein ins Wohnzimmer“, mischte sich Jacobs ein. Doch er stützte sich auf die Frau, als sie durch den Flur gingen.
    Lucian folgten ihnen, schaute sich um und machte sich wieder mit der Wohnung vertraut. Links war das Esszimmer mit den efeuumrankten Gittern vor den Fenstern und einer Sammlung von Stillleben, mit denen man gut ein kleinesMuseum hätte bestücken können. Rechts ging es ins Wohnzimmer ab. Die Nachmittagssonne schien durch die breiten Fenster, die auf den Park hinausblickten. Zwei Aquarelle aus

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