Der Visionist
Dollar für unseren Hypnos hier eintauschen?“
16. KAPITEL
Malachai ließ die glänzende Goldmünze von einer Hand in die andere fliegen, immer wieder hin und her, bis die Lider des Kindes schwer wurden und seine Augen sich schlossen.
„Wo bist du, Veronica?“, fragte Malachai das kleine Mädchen ihm gegenüber.
„Es ist so dunkel hier …“, wimmerte sie.
„Wo bist du?“
Keine Antwort.
„Kennst du diesen dunklen Ort?“
„Ja …“ Ihre Stimme zitterte.
„Sag mir, was gerade passiert.“
Sie schüttelte den Kopf, Nein , und dann nochmals, Nein . „Geh nicht fort.“ Sie klang panisch, fast hysterisch. „Geh nicht.“
Robert Keyes rutschte auf der Couch nach vorn. Malachai wusste, dass er die Hypnose am liebsten abgebrochen hätte, aber er schüttelte den Kopf und formte mit den Lippen Sie ist nicht in Gefahr .
„Hat dich jemand im Dunkeln allein gelassen?“, fragte er dann.
„Nein.“ Ihr brach fast die Stimme.
„Was passiert gerade?“
Das kleine Mädchen keuchte und weinte dabei.
„Kannst du zurücktreten von dem Ort, wo du gerade bist? Versuch einmal, dir das, was passiert, aus der Ferne anzuschauen, wie ein Bild in einem Buch.“
Veronica keuchte heftiger. „Sie sind hier.“
„Wo bist du?“
„Im Haus.“
„In deinem Haus?“
Sie nick te.
„Wo ist dein Haus? Wo wohnst du?“
„In Schusch“, sagte Veronica. „Ich wohne im Ghetto.“
„Weißt du, welches Jahr gerade ist?“
„1885.“
Malachai war seit über dreißig Jahren Reinkarnationsexperte und hatte über fast jede Kultur und jedes Land Wissen gesammelt. Die Stadt Schusch lag in Persien. Ende des 19. Jahrhunderts waren Juden in Persien nicht gern gesehen. Es war ihnen verboten, außerhalb der Tore des Ghettos zu reisen, und sie durften nur bestimmte Farben tragen, damit man sie immer als Juden identifizieren konnte.
„Was passiert gerade mit dir?“
Doch sie hörte seine Fragen nicht mehr. Vor ihrem geistigen Auge spielte sich eine Szene ab, die vor über hundertdreißig Jahren geschehen war. „Geh nicht fort!“, wimmerte sie, wobei ihre Lippen vor Angst zitterten. Dann griff sie mit ihrer kleinen Hand nach jemandem, der nicht da war. Oder den zumindest Malachai nicht sehen konnte.
17. KAPITEL
Farid Taghinia hatte die Arbeit um sechs Uhr verlassen. Auch die übrigen Angestellten verabschiedeten sich recht schnell, nachdem er weg war. Eine Viertelstunde nach sechs war die Ständige Vertretung menschenleer. Dennoch wollte Samimi noch ein wenig warten, bevor er sich aus seinem Büro wagte. Inzwischen war es sieben Uhr und ganz bestimmt sicher, was seine Nervosität aber keineswegs milderte. In letzter Zeit war er immer nervös. Falls entdeckt wurde, was er getan hatte, würden sie ihn zurück in den Iran schicken und umbringen. Das stand fest.
Samimi ließ das Dokument, an dem er gerade schrieb, offen auf dem Computer, damit es so aussah, als wäre er mitten in der Arbeit aufgestanden und aus dem Zimmer gegangen, ohne einen fertigen Plan im Kopf. Er nahm einen Stapel Papiere auf den Arm und ging den Gang entlang zum Büro seines Bosses. Mit einem Schlüssel, den er eigentlich nicht haben dürfte, öffnete er die Tür.
Zuerst legte er die Papiere auf Taghinias Schreibtisch, dann streifte Samimi Handschuhe über und nahm den Hörer vom Telefon. Bei diesem Teil der Operation hielt er immer vor Aufregung den Atem an. Sein Boss war ausgesprochen misstrauisch. Falls Taghinia die Wanze entdeckt hatte, würde er dem Spion, der sie dort platziert hatte, mit Sicherheit eine Falle stellen.
Das Abhörgerät war immer noch da, wo Samimi es letzte Woche hineingesteckt hatte.
Mit zitternden Fingern entfernte er es und ließ es in seine Hosentasche gleiten. Er hatte die Wanze nun schon so oft herausgenommen, doch die Angst, dass er dabei entdeckt werden könnte, ließ nicht nach. Alle zehn Tage wurden die Büros der Ständigen Vertretung nach Abhörgeräten durchforstet. Seit fast sechs Monaten holte Samimi immer am Abend vorder Inspektion sein kleines Tierchen aus dem Hörer und nahm es mit nach Hause. Am nächsten Abend, wenn die Inspektion vorbei war, legte er es zurück in sein Nest. Was bedeutete, dass er alle zwei Wochen vierundzwanzig Stunden lang die Telefonate von Taghinia nicht mitbekam. Es ärgerte ihn, aber ihm blieb nichts anderes übrig. Bis jetzt hatte er den meisten Unterhaltungen ohne allzu große Löcher folgen können. Aber was, wenn er einmal etwas wirklich Wichtiges verpasste?
Kurz wartete
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