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Der Visionist

Der Visionist

Titel: Der Visionist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose M J
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bedacht.
    „Vor dem Diebstahl war der Matisse über vierzig Jahre lang Teil einer privaten Sammlung. Die Eigentümer sind verschieden, ebenso der Kunsthändler damals. Sogar der Gutachter der Versicherung, bei der das Gemälde versichert wurde, ist inzwischen gestorben. Ihr Vater ist der einzige Mensch, der uns die Echtheit des Matisse bestätigen kann.“
    „Er ist kein Kunsthistoriker. Im Museum gibt es doch sicher Experten für so etwas?“
    „Wir haben ein paar ungewöhnliche Markierungen auf der Leinwand gefunden, die ihm vielleicht beim Rahmen auch aufgefallen sind. Uns wäre sehr geholfen, wenn Mr Jacobs ins Museum käme und sich das Bild anschauen würde. Bitte glauben Sie mir, dass sehr viel davon abhängt, ob es wirklich der gestohlene Matisse ist oder nicht. Sonst würde ich nicht fragen. Doch der Mann, der dem Museum das Gemälde geschickt hat, führt uns vielleicht zu demjenigen, der es damalsgestohlen hat. Und dann werden wir nach all der Zeit endlich erfahren, wer Solange getötet hat.“
    Emeline starrte ihn an. Mit den Fingern hielt sie die Türkante so fest umklammert, dass ihre Knöchel weiß waren.
    „Bitte fragen Sie Ihren Vater noch einmal, ob er uns nicht doch helfen kann.“
    „Das ist alles schon so lange her. Es wäre besser für ihn, wenn er die Vergangenheit hinter sich lassen könnte.“
    Auch für mich wäre das besser.
    Mit ihren Katzenaugen nahm sie ihn ins Visier. „Auch für Sie wäre das besser.“

19. KAPITEL
    Die Geräusche von Hämmern, Elektrobohrern, Sägen und Schleifmaschinen begleiteten einen sehr wütenden Henry Philips auf seinem Rundgang durch den noch nicht fertiggestellten Flügel für Islamische Kunst. Er war hier, um die Arbeit seiner Firma zu überprüfen. Der Vorarbeiter auf der Baustelle im Metropolitan Museum of Art, Victor Keither, lief hinter ihm her.
    Natürlich war hier noch keine Kunst ausgestellt; es gab nichts zu sehen außer der Arbeit, die Keithers Crew ablieferte. Und die ließ an Kunstfertigkeit einiges zu wünschen übrig, fand Philips.
    „Mit all diesen handwerklichen Unregelmäßigkeiten bleiben wir weit hinter unseren üblichen Qualitätsstandards zurück“, meinte er.
    „Mir brauchst du das nicht zu sagen“, stimmte Keither ihm zu. „Aber ich wollte, dass du’s dir selbst anschaust. Ich brauche hier fähigere Leute, Henry.“
    Sie kamen vor einer freigelegten Mauer zu stehen, in deren Zentrum ein Oculus-Fenster eingelassen war. In der kleinen runden Öffnung war sicher einmal ein Kunstwerk zur Schau gestellt worden, doch dann war sie zugemauert worden und in Vergessenheit geraten. Keither hatte sie vor ein paar Monaten wiederentdeckt. Bei einem solch alten Gebäude gab es immer wieder Überraschungen. Die ursprünglichen Baupläne waren hilfreich, aber nicht jeder Umbau war auf ihnen vermerkt. Schon vor Wochen hatte die Museumskommission, die mit dem Umbau betraut war, sich die Öffnung angeschaut. Keines der Mitglieder hielt die Anomalie in der Mauer für architektonisch so besonders, dass man sie bewahren müsste.
    „Das Loch hätte schon längst geschlossen und die Mauer endlich verputzt werden sollen.“
    Keither nahm den Bauhelm ab und fuhr sich durch das fuchsrote Haar. Seine helle Haut errötete unter den Sommersprossen. „Zu viele Kündigungen, zu viele neue Leute, Henry.“ Ein Konkurrent, Manhattan Construction, warb ihnen die Handwerker ab und bezahlte fünfzehn Prozent mehr, wenn sie zu ihnen kamen. „Aber wenn du mehr Leute einstellst, können wir den Zeitplan noch einhalten.“
    Keither war 1985 bei Philips eingestiegen und seither bei jedem Museumsauftrag der Firma dabei gewesen – insgesamt sechs, die fast ohne Unterbrechung aufeinander folgten. Er hatte als Mitglied der Crew angefangen, inzwischen war er für die gesamte Baustelle verantwortlich. Außer an den Tagen, an denen seine Kinder geboren wurden, zwei Erkältungen und einmal wegen einer Blinddarmentzündung war er nicht einen einzigen Arbeitstag ausgefallen. Selbst während zwei Schneestürmen war er auf der Baustelle aufgetaucht, nur um festzustellen, dass das Museum geschlossen hatte.
    „Wenn ich neue Leute einstelle, sprengen wir das Budget“, gab Philips zu bedenken.
    „Entweder das – oder wir schaffen den Zeitplan nicht. Du kannst es dir aussuchen. Die neuen Leute sind nicht annähernd so gut wie die Handwerker, die gekündigt haben. Kann man die nicht irgendwie zurückholen?“
    „Manhattan Construction lässt sich dieses Spiel ganz schön was

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