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Der Visionist

Der Visionist

Titel: Der Visionist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose M J
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offen. Sie waren gefüllt mit Schachteln, in denen die ältesten und fragilsten Bücher und die Ephemera aufbewahrt wurden, die man nicht offen in ein Regal stellen konnte. Die Schachteln waren offensichtlich Spezialanfertigungen aus säurefreiem Karton. „Hier lagern wir die privaten Tagebücher, die Manuskripte und den gesammelten Schriftverkehr. Sie machen den Hauptteil unserer Sammlung aus.“
    Bei dem Gedanken, welche Geheimnisse hier unten versteckt waren, juckte es Elgin in den Fingerspitzen. „Dies alles ist noch nie gesichtet worden?“
    „Nein. Die Papiere wurden nur in die Schachteln umgelagert, als die neue Bibliothek fertig war. Sonst hat sie niemand berührt.“
    Elgin trat zu dem Regal, das ihm am nächsten war. Er berührte eine der Schachteln, wandte sich um und blickte zu Samuels. „Darf ich?“
    „Heißt das, Sie wollen die Stelle?“
    Elgin nickte. „Wenn Sie sie mir anbieten, dann nehme ich sie sehr gerne an.“
    Es war nie eine Frage gewesen, dass er die Stelle annehmen würde, wenn Malachai Samuels ihn für geeignet hielt – und Lucian hatte ihm versichert, dass ihm die Position auf jeden Fall angeboten würde. Der Direktor der New York Society Library hatte ihn in seinem Schreiben wärmstens empfohlen. Elgin sei einer seiner untergebenen Mitarbeiter in der Library of Congress gewesen, ein ungewöhnlich kompetenter und fähiger Bibliothekar. Und für den Fall, dass diese Empfehlung nicht ausreichte und Samuels noch mehr Referenzen einholte,hatte das FBI eine falsche Personalakte für die Library of Congress anlegen lassen, die eine glänzende fünfjährige Karriere aufzeigte, mit vielen Empfehlungen und dementsprechenden Gehaltserhöhungen. In Wirklichkeit war Elgin seit seinem Studium nicht mehr in der Library of Congress gewesen, und er hatte nie dort gearbeitet.
    „Frances oben am Empfang ist auch eine Art Haushälterin der Phoenix Foundation. Sie können ihr eine Liste von Lebensmitteln und Getränken geben, die Sie mögen. Sie füllt den Kühlschrank oben in der Küche auf, die Sie gerne benutzen können. Es gibt auch ein Speisezimmer, das Frances Ihnen zeigen wird. Sie können dort mittags essen oder auch abends, wenn Sie spät noch arbeiten. Manchmal empfangen wir dort Gäste, aber dann wird Frances Ihnen Bescheid geben, dass das Speisezimmer belegt ist. Heute Nachmittag sind ein paar Wissenschaftler der Yale University hier. Wir veranstalten ein kleines Symposium über nichtkodierende DNS und die Möglichkeit, dass dort Erinnerungen an frühere Leben gespeichert sind.“
    „Das klingt außerordentlich spannend. Wenn es möglich ist, würde ich gerne einmal einen Blick auf Ihre Forschungsergebnisse werfen.“
    Samuels schaute ihn mit einer Mischung aus Neugier und Sorge an. „Das passiert mir selten, aber ich habe vollkommen vergessen, Sie danach zu fragen, Elgin. Was halten Sie von Reinkarnation? Glauben Sie daran?“
    Elgin war auf alle möglichen Fragen und Themen vorbereitet worden, aber weder Matt noch Lucian hatten jemals mit ihm über Reinkarnation gesprochen. „Ist das eine Voraussetzung für die Besetzung der Stelle?“
    „Ganz und gar nicht. Ich brauche einen qualifizierten Bibliothekar, nicht jemanden, der an unsere Sache glaubt. Aber ich gebe zu, es interessiert mich.“
    Elgin beschloss, sich auf das zu verlassen, was er bei seinemersten Fall gelernt hatte: Es war immer am einfachsten, die Wahrheit zu sagen. „Der Glaube an Reinkarnation steckt mir sozusagen im Blut.“ Er lächelte. „Ich wurde in Amerika geboren, genau wie meine Eltern, aber unsere Familie kommt ursprünglich aus Indien. Wir sind Hindus.“
    „Gläubige.“ Samuels kostete das Wort auf seiner Zunge aus, als sei es eine Delikatesse.
    „Ja. Von den einfachsten Konzepten bis zur Seelenwanderung. Mein Vater erzählte mir immer eine Gute-Nacht-Geschichte, die ihm schon seine Mutter erzählt hat. In der Geschichte ging es um eine Seele, die sich in den Körper eines Mannes namens Herr Stern eingeschlichen hatte, als dieser sehr krank war. Der Mann war sehr böse und gemein, und er kämpfte gegen die Seelenwanderung an. Aber er war so krank, dass er die fremde Seele nicht aus seinem Körper hinauswerfen konnte, und so ließ sie sich darin nieder. Als Herr Stern wieder gesund wurde, war er ein neuer Mensch, der freundlich und barmherzig zu allen war. Da hatte die neue Seele ihre Aufgabe erfüllt und zog weiter. Herr Stern aber verwandelte sich wieder in den alten Fiesling, und alle, die ihn lieb

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