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Der Visionist

Der Visionist

Titel: Der Visionist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose M J
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sehr, dass da etwas von Solange in mir war. Ich wollte sie nicht enttäuschen. Sie redeten oft darüber, dass die Polizei den Mörder von Solange noch nicht gefunden hatte. Es gab keine Verdächtigen; es gab keine Zeugen. Wenn ich helfen könnte, den Fall zu lösen, dann würde sie das glücklich machen, dachte ich. Ich wollte nur, dass wir alle glücklich waren.“
    Es war zu warm in Lucians Büro, und er zog sein Jackett aus. Es hatte einen Zeugen gegeben, aber der hatte nichts gesehen, was der Polizei bei den Ermittlungen weiterhalf. So nutzlos und ohnmächtig wie in den Wochen nach dem Raubmord hatte er sich nie mehr in seinem Leben gefühlt. Die Polizei hatte ihn ein Dutzend Mal oder öfter befragt, aber Lucian erinnerte sich nur an einen braunen Ärmel, die Hand eines Mannes und ein aufblitzendes Messer. „Das verstehe ich nicht. Warum dachten sie, dass die Hypnosetherapie der Polizei helfen könnte, den Mordfall zu lösen?“, fragte er.
    „Wenn ich eine Reinkarnation von Solange war, dann hatte ich ja gesehen, wer an diesem Abend in den Laden eingebrochen war. Dann hatte ich das Gesicht des Mörders gesehen.“
    „Das ist nicht Ihr Ernst.“
    „Wenn man an Reinkarnation glaubt, ist es vollkommen logisch.“
    „Glauben Sie daran?“
    Emeline blickte einen Moment auf ihre Hände. „Ich hätte gerne daran geglaubt.“
    Sie klang jünger als sonst, als sie das sagte. Vielleicht hatte sie zu viel über die Vergangenheit nachgedacht, und die Erinnerungen waren schmerzhafter als erwartet. Es war Zeit, dass sie sich dem aktuellen Problem zuwandten.
    „Was hat das alles mit diesen E-Mails zu tun?“
    „Über meinen Fall wurde damals in den Medien berichtet, Agent Glass. Mein Onkel war verzweifelt. Er erzählte allen, dass er den Mörder seiner Tochter hinter Gitter bringen würde und wie ich ihm dabei durch die Hypnose half. Der Mord hatte Schlagzeilen gemacht, und die Interviews mit Andre sorgten dafür, dass die Story über Monate in den Medien war.“ Sie hielt inne und schaute auf das Blatt Papier, das ganz oben lag. „Letzten Monat, als all die verrückten Dinge passiert sind mit dem Konzert in Wien, bei dem Malachai Samuels angeschossen wurde, da haben die Zeitungen und alle möglichen Blogger ihn und die Stiftung genau unter die Lupe genommen. Ein paar haben Listen veröffentlicht von all seinen Patienten, deren Name irgendwie bekannt war.“
    Emelines Hand zitterte, als sie ihm die Zettel reichte. Lucian nahm sie und hatte fast Angst, sich die erste E-Mail anzuschauen.
    Die wenigen getippten Zeilen wirkten größer, als sie eigentlich waren. Schuld daran war die bösartige Botschaft, die wie Text auf einer Werbefläche verkündet wurde. Lucian las die zweite und auch die dritte ausgedruckte E-Mail. Sie enthielten alle genau dieselbe Nachricht.
    Wenn Du irgendjemandem verrätst, wie ich aussehe, dann töte ich Dich, bevor sie mich finden. Ich habe es schon einmal getan, und ich werde es wieder tun. Ich bringe Dich um und Deinen Vater gleich mit.

23. KAPITEL
    „Bei der letzten Renovierung der Bibliothek hätte ich die Treppe auch durch eine neue ersetzen lassen können.“ Malachai Samuels hielt auf den Stufen inne und legte die Hand auf das Geländer. „Aber ich fand es passend, dass man zur aktuellen Bibliothek über Stufen hinuntersteigt, die über einhundertfünfzig Jahre alt sind. Auf diesen Stufen sind schon Walt Whitman, Frederick Law Olmsted, Frederick L. Lennox, Amos Bronson Alcott und so viele andere gegangen.“
    „Eine gute Entscheidung.“ Elgin Barindra hielt den Blick durch seine schwarz gerahmte Brille schon auf die Treppe gerichtet, als er vorsichtig von einer schmalen Stufe auf die nächste trat. Geschichte war sein Metier, und er liebte solche kleinen Anekdoten. „Waren sie alle Mitglieder des ursprünglichen Phoenix Clubs?“
    „Sie alle und noch viele andere Größen des 19. Jahrhunderts. Hier in der Bibliothek liegt der gesamte Schriftverkehr des Clubs und wartet darauf, dass Sie ihn aufarbeiten.“ Samuels schüttelte den Kopf. „Ich habe diese Briefe lange vernachlässigt. Wir hätten schon vor Jahren einen Bibliothekar dafür einstellen sollen. Ich dachte auch schon, ich hätte einen gefunden, der genau richtig für den Job war, aber …“ Seine Stimme brach ab.
    „Was ist passiert?“
    „Er ist tot.“ Samuels klang so düster, dass Elgin das Thema lieber nicht weiterverfolgte.
    „Wie tief unter der Erde sind wir?“, fragte er, als sie den Treppenabsatz erreicht

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