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Der Visionist

Der Visionist

Titel: Der Visionist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose M J
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sein Leben. Auch wenn der Hypnos, den er erschaffen hatte, nur eine Kopie war, war es das Schwerste, was das Museum jemals von ihm verlangt hatte.
    „Wenn ich nur drei Tage habe …“ Seine Stimme bebte, und er räusperte sich. „Dann sollte ich wohl besser gleich damit anfangen.“
    Von allen Anwesenden schien Lucian das größte Mitgefühl dafür aufzubringen, was dem Restaurator bevorstand. Bevor er ging, blieb er stehen und legte Danzinger die Hand auf die Schulter. „Es ist ein Jammer. Sie haben etwas wirklich Herausragendes geschaffen. Ich wünschte, wir könnten Ihnen das ersparen.“

35. KAPITEL
    Als Elgin Barindra den zweituntersten Brief in der Schachtel auseinanderfaltete, löste sich die linke Ecke ab und fiel ihm in den Schoß. Er nahm sie vorsichtig mit einer Pinzette auf und legte sie auf eine Filzunterlage. Selbst wenn sich herausstellte, dass dieser Brief nicht wichtig war, musste er die Ecke trotzdem inventarisieren. Bevor er also den Brief las, warf er einen Blick auf das linke untere Viertel des Blattes und bemühte sich, die Unterschrift zu entziffern.
    Zuerst waren es nur unleserliche Schnörkel und Linien, aber er gab nicht auf, und langsam konnte er die einzelnen Buchstaben ausmachen.
    Dieter M. Loos.
    Der Name sagte ihm nichts, aber er ließ die Ecke in eine Plastikhülle gleiten, klebte ein Etikett darauf, verfuhr dann genauso mit dem Brief und las ihn durch die transparente Schutzhülle.
    Mein lieber Davenport!
    Ich komme Ihrer Anfrage gerne nach. Ja, Ihr Kollege Frederick L. Lennox irrt sich nicht: Das betreffende Objekt befindet sich im Besitz unserer Gesellschaft, eine Kupferplatte mit einer gravierten Inschrift in altem Sanskrit, das praktisch unübersetzbar ist. Sie wurde unserem Gründer 1813 von einer Gruppe indischer Mönche im Himalaja überreicht. Wie auch Sie sind wir der Überzeugung, dass es sich dabei um eine Liste der legendären Erinnerungswerkzeuge handelt. Ich bedaure sehr, dass ich Ihnen nichts weiter sagen kann, was Ihrem Kollegen behilflich sein könnte, aber leider wissen wir nur das, was das Schicksal uns hat zukommen lassen.
    Bitte lassen Sie mich doch wissen, wann Sie und Ihre reizende Gattin wieder nach Wien kommen. Es wäre mir ein Vergnügen, während Ihres Aufenthaltes einen Dinnerempfang zu Ihren Ehren auszurichten.
    Ihr
    Dieter M. Loos
    Elgins Puls raste, als er den Brief zum zweiten Mal las. Das war ein klarer Hinweis auf die Liste der Objekte, die mit dem Raub in Wien zu tun hatte. Die Tatsache, dass auch ein aktives Mitglied des ursprünglichen Phoenix Clubs namentlich genannt wurde, das Hunderte von Ausgrabungen finanziert hatte, war ebenfalls wichtig.
    Durch diese Briefsammlung zogen sich Fäden, die Menschen, Orte und Entdeckungen miteinander verbanden, aber es dauerte lange, sie alle zu entwirren. Elgin hatte immer noch so viele Kästen durchzusehen und spürte einen Anflug von Ungeduld.
    Er legte den Brief beiseite, stand auf, streckte sich und ging die Treppe hinauf. Er brauchte jetzt etwas frische Luft und musste sich außerdem bei Lucian oder Matt melden.
    Oben im weitläufigen Foyer, erleuchtet von Tiffanyleuchten, die einen warmen gelben Lichtschein auf das polierte Parkett warfen, verlangsamte er seine Schritte, als er an Dr. Samuels’ Büro vorbeikam, und lauschte, ob er zufällig etwas Interessantes aufschnappen konnte. Aber es war alles ruhig. Er war auf halbem Weg den Gang hinunter, als er Schritte hörte. Dr. Bellmer trat in den Gang hinaus und kam in seine Richtung, mit einem Mann an ihrer Seite. Unter anderen Umständen hätte er ihn kaum registriert – mittelgroß, Brille, Anzug und Aktenmappe –, aber Elgin fiel der ungewöhnlich entspannte Gang des Mannes auf.
    „Elgin?“
    Die Stimme kam von hinter ihm, und er fuhr herum.
    Malachai Samuels stand in seiner Bürotür.
    „Was gibt es heute bei den Briefen?“
    „Ich habe einen sehr interessanten gefunden. Dort wird eine Liste von Erinnerungswerkzeugen erwähnt, eingraviert auf Kupferplatten aus dem alten Indien.“
    Elgin glaubte zu hören, wie eine der Personen im Korridor innehielt.
    Als Malachai den Bibliothekar in sein Büro scheuchte und ihn dafür tadelte, so laut auf dem Gang zu reden, konnte Elgin immer noch das Gespräch draußen hören.
    „Wie geht es Ihnen, Mr Ryan?“, fragte Dr. Bellmer mit besorgter Stimme. „Was machen Ihre Kopfschmerzen?“

36. KAPITEL
    „Die Seele ist nicht der Körper, und sie kann in unterschiedlichen Körpern wohnen und von Körper zu

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