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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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schwer auf ihm. Maddox hatte recht, er sollte nach Hause gehen. Aber die lastende Gegenwart des Vogelmanns, die fast greifbar nahe war, war ihm zu bewußt: wie ein riesiger Raubfisch, der um seine Beine schwamm.
    Drüben auf der Straße entrollten die Arbeiter von Maiden Signs die Plakate und bestrichen sie mit Kleber, dann rückten sie die Leiter ein paar Schritte weiter und machten das gleiche wieder. Die Worte Estée Lauder erschienen am Fuß der Reklametafel: darüber die glänzende Biegung des Halses eines Models. Abwesend sah er zu und dachte an das Haar, das sich in dem von Peace Jackson verfangen hatte. Man nahm an, daß es von einem anderen Opfer stammte, von jemandem, mit dem der Vogelmann noch nicht fertig war oder den man noch nicht gefunden hatte. Caffery drückte die Finger an die Nasenwurzel und versuchte nachzudenken.
    Eine andere Erklärung?
    Farbe und Schnitt stimmten so genau mit dem Perückenhaar überein, daß sogar Krishnamurthi den Unterschied nicht bemerkt hatte. Vielleicht gehörte das Haar zu keinem anderen Opfer, sondern zu der Person, die der Vogelmann nachformte. Vielleicht hatte sich diese Person im Haus des Vogelmanns aufgehalten. Oder war ihm nahe genug gewesen, daß er eine Trophäe von ihr erbeuten konnte.
    Du hast dich so sehr auf Cook konzentriert, daß du nicht einmal innegehalten hast, um das zu erwägen.
    Und etwas – etwas …
    Caffery sah zu dem Hochglanzbild hinüber, und plötzlich wußte er es.

    Das Stoffwechselprodukt von Marihuana. Der Aluminiumausschlag auf dem Spektrogramm des Forensischen Instituts. Joni, die Deodorant in ihrem Zimmer versprühte, dessen Geruch immer die Wohnung erfüllte.
    Es paßte nicht nahtlos zusammen, Joni paßte nicht ganz ins Bild: Sie war füllig und groß, so hatte er sich die Galatea des Vogelmanns nicht vorgestellt. Dennoch, als er die Lampe abschaltete, seine Schlüssel fand und das Fax und die Papiere über den Schreibtisch verstreut liegenließ, ballte sich die Aufregung wie eine Faust in seiner Magengegend zusammen.
     
    Um zwei Uhr nachmittags war ›Die Klitoris‹ gegangen, mitsamt ihren Farben, ihrem Zeichenbrett und ihrem hochmütigen Gehabe, und hatte Joni für ihren zweiten Auftritt im Pub allein zurückgelassen. Bliss kannte das Gemüt dieses Mädchens ganz genau. Er wußte, sobald Joni freie Drinks in Aussicht gestellt wurden, ließ sie sich die Gelegenheit kaum entgehen. Die anderen Freier machten sich davon, gingen mit benebelten Köpfen in den Nachmittag hinaus und ließen ihn allein mit ihr zurück, um sie mit Liebfrauenmilch abzufüllen.
    Um halb vier erbrach sie sich auf der Treppe zur Damentoilette. Als er sie zu sich nach Hause brachte, wurde ihr wieder schlecht, zweimal, im Bad.
    Er gab vor, nicht ärgerlich zu sein. Er putzte alles auf, spülte es hinunter und ließ sie, zusammengerollt wie ein großes Baby, blond und rosig, nur mit einemT-Shirt und einem Höschen bekleidet, ihren Mittagsrausch ausschlafen – in dem freien Zimmer, damit sie nicht aufwachte und seine Bildersammlung sah und Theater machte. Selbst die Bauarbeiten an dem alten Schulhaus störten sie nicht.
    Wie oft hatte er Joni dies voller Geduld tun lassen, fragte er sich, als er im Wohnzimmer saß und an einem Pickel an seinem Kinn zupfte. Wie oft hatte er sich als praktische Ausnüchterungszelle benutzen lassen. Und nie hatte sie die Vernunft besessen, etwas zu ändern. Wie viele Male hatte er geputzt und
aufgeräumt, im Gang, im Badezimmer, und im Wohnzimmer die Bilder abgenommen, während sie schlief, die Fotos sicher in einen Karton gelegt und duftendes Raumspray in den Zimmern versprüht. Nur dafür, daß sie aufwachte, den Walkman über die Ohren stülpte und wieder davonstolperte. Ohne ihn zu beachten. Und ihn wie Dreck behandelte.
    Aber wie sehr sich jetzt alles verändert hatte. Sein Leben war neu geschrieben worden. Als hätte er eines Tages in den Himmel gesehen und festgestellt, daß die Sonne eine andere Farbe hatte.
    Er stand vom Sofa auf, machte eine Kanne Tee in der Küche und stapelte Bakewell-Törtchen auf einen Teller. Im Schlafzimmer stellte er das Tablett vorsichtig auf das Kissen neben Jonis Kopf. Sie bewegte sich und legte eine Hand ans Gesicht.
    »Wach auf. Hier ist Tee für dich.«
    Sie reckte den Hals und spähte mit blutunterlaufenen Augen heraus. Als sie ihn sah, stöhnte sie und ließ den Kopf aufs Kissen zurückfallen. »O nein.«
    »Trink etwas Tee.«
    »Nein. Ich muß nach Hause.« Sie stützte sich auf und sah

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