Der Vogelmann
»Mein Gott, sie sind einfach sensationsgierig.«
»Es war mir Ernst mit dem, was ich sagte: Sie müssen vorsichtig sein.«
Sie hielt inne und drehte sich langsam zu ihm um. Mit verschränkten Armen lehnte sie sich an den Tisch, neigte den Kopf zur Seite und sah ihn an. »Er ist doch tot, oder? Da gab es doch keine Verwechslung?«
»Keine Verwechslung.«
»Also warum dann?« Ihre Stimme war leise. »Und vor wem ? Vor wem soll ich mich in acht nehmen?«
»Ich würde es Ihnen sagen, wenn ich es wüßte.« Als er ihren Gesichtsausdruck sah, seufzte er. »Ehrlich, Rebecca. Ich würde es Ihnen sagen. Keiner von uns weiß es sicher.«
»O Gott.« Sie erschauerte leicht. »Ich bin so müde. Ich habe es so satt, mich die ganze Zeit zu fürchten. Ich habe es satt, in einem Treibhaus zu leben, weil ich kein Fenster öffnen darf.« Sie drehte sich wieder zum Tisch um und begann erneut, die Zeichnungen zu sortieren. »Ständig rufen Galerien an. Meine Bilder verkaufen sich, sie gehen weg wie warme Semmeln. Ich soll ständig nachliefern, und jetzt will sogar Time Out ein Interview. Time Out, gütiger Himmel. Und Sie wissen, warum, nicht wahr?« Sie sah ihn nicht an, und er wußte, daß sie keine Antwort erwartete. »Weil meine Arbeit so hervorragend ist? Weil ich die nächste Sarah Lucas bin? Weil ich ein neues Kapitel der Kunstgeschichte aufgeschlagen habe?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ganz und gar nicht. Nichts davon trifft zu. Sie sind nur an ihm interessiert. Diese Leichenfledderer, alle zusammen sind sie nichts anderes als ein Haufen verdammter Leichenfledderer. Und glauben Sie, ich hätte deswegen Skrupel? Ach was. Keineswegs. Ich bin genauso mies wie alle anderen. Ich will auch nur Kapital daraus schlagen. Wahrscheinlich sollte ich begeistert sein, daß es noch nicht vorbei ist.«
Während sie sich die Angst von der Seele redete, begann Jacks Spannung nachzulassen. Er hatte heute abend nichts mehr vor. Gleich am Morgen, nachdem es geöffnet hatte, war er im Forensischen Institut gewesen, aber jetzt gab es nichts mehr für ihn zu tun. Sein Tag war abgeschlossen. Er trank den Wein und ließ Rebecca reden.
Bliss hatte sich vom Kampf erholt. Er verbrachte den Abend damit, darauf zu warten, daß Joni wieder zu Bewußtsein kam, und ging zweimal ins Badezimmer, um sich zu erleichtern, indem er in ein Kondom ejakulierte. Er beglückwünschte sich zu seiner Klugheit, er wollte warten, bis Joni angemessen hergerichtet war.
Es war zehn Uhr abends, als er ins Schlafzimmer ging, um damit anzufangen. Mit gebeugten Knien, um seinen Rücken zu schonen, schob er die Hände unter ihr Gesäß und hob sie aufs Bett. Schlaff und leblos fiel sie nach unten, und jetzt entdeckte er, daß er ihrem linken Auge etwas Schlimmes angetan hatte. Sogar durch die Schwellung konnte er erkennen, daß etwas nicht in Ordnung war. Er legte die Hände an beide Seiten ihres Gesichts und beugte sich ganz nahe zu ihr hinunter, um es genauer anzusehen. Es hatte sich merkwürdig nach außen gewölbt, und die Iris war nach unten verdreht. Versuchsweise drückte er auf das Auge. Er würde später in seinen Büchern nach einer Erklärung suchen. Im Moment feuchtete er einen Finger mit Speichel an und wischte liebevoll das angetrocknete Blut von ihrem Nasenflügel.
Dann zog er den Reißverschluß ihrer Stiefel auf und stellte sie sorgfältig in die Ecke. Er zog ihr den Wildlederrock herunter, schnitt das T-Shirt auf und ließ die großen, aufgedunsenen Brüste herausquellen.
Vorsichtig drückte er auf eine der prallen Brustwarzen. Er hatte sich gefragt, wie sich diese neuen, unnatürlichen Dinger anfühlen würden; überraschenderweise waren sie ganz warm: sie fühlten sich körnig und elastisch an. Er drückte die rechte Brustwarze zwischen Daumen und Zeigefinger zusammen, hob die ganze Brust an und dehnte sie, so weit sie sich dehnen ließ – ganze fünfzehn Zentimeter –, und war fasziniert von der warmen Nachgiebigkeit des Fleisches und des Silikons. »Hm.« Er beugte sich vor und inspizierte die leicht erhabene, glänzende Narbe, die Stelle, an der man sie aufgeschnitten hatte, um das Silikonkissen hineinzuschieben. Gut. Es wäre nicht notwendig, viele Schnitte anzubringen.
»Also…« Rebecca war mit dem Sortieren ihrer Bilder fertig. Sie war jetzt ruhiger. Sie suchte zwischen den Papieren und Farben herum und entdeckte die Ecke eines Rahmens, den sie über eine der Zeichnungen legte, um dann mit zusammengekniffenen
Augen die
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