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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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sich benommen um. »Mein Gott, Malcolm, tut mir leid, aber ich wollte eigentlich nicht hier landen.«
    »Iß zuerst ein Bakewell-Törtchen.« Seine Zunge war dick, die Ts klangen gedämpft.
    »Nein, ist schon gut.«
    »Ich bestehe darauf.«
    »Nein, wirklich.«
    »ICH BESTEHE DARAUF!«
    Joni riß die Augen auf.
    »Tut mir leid«, murmelte er und wischte sich einen Speichelfaden von den Lippen. »Ich möchte, daß du etwas ißt. Du brauchst Kraft. Schau dich an…« Die Zunge zwischen den Zähnen, streckte er die Hand aus und betastete ihren Bauch. »…nur Haut und Knochen.«
    Die Geste war zärtlich gemeint, aber Joni reagierte erschrocken
und rückte wie von der Tarantel gestochen zur Wand zurück. »Hände weg!«
    »Aber Joni.«
    »Laß mich in Ruhe, Malcolm.«
    »Ich möchte doch nur …«
    »Wie oft muß ich es dir noch sagen? NEIN!!« Sie kroch nach hinten weg, fiel über die Bettkante, landete auf den Füßen, aber Bliss griff nach vorn und erwischte sie an ihrem T-Shirt. Sie wirbelte herum, packte seine Hände und versuchte, sich mit ihren scharfen Nägeln von seinen Fingern zu befreien.
    »Laß mich los.«
    »Joni.«
    »Verdammt, laß mich!« Sie zog seine Hände an den Mund, biß zu und riß eine Wunde in sein Daumengelenk. »Laß mich verdammt noch mal los.«
    »Tu das nicht, Joni.« Seine Finger waren mit einer Mischung aus Speichel und Blut bedeckt. Er beugte sich hinunter, wandte den Blick nach oben und hielt sie fest: Joni verlor das Gleichgewicht, fiel hin und schlug mit der Schulter gegen die Bettumrandung.
    Er ließ sie los und trat mit offenem Mund zurück.
    Sie starrten einander sprachlos an, erschüttert, daß die Auseinandersetzung in Gewalt übergegangen war. Joni lag auf dem Rücken, ihr T-Shirt war über den Bauch hinaufgerutscht, und unter ihrem blaßrosafarbenen Höschen zeichneten sich deutlich die Umrisse ihres Schambeins ab. Sie wirkte wie eine Puppe, die über ihre Zerbrechlichkeit verblüfft war. Einen Moment lang schien sie nach Luft zu ringen.
    Bliss trat mit ausgestreckter Hand auf sie zu. »Joni.«
    »Bleib mir vom Hals. Bleib mir verdammt noch mal vom Hals.«
    »Aber ich liebe dich.«
    »Blödsinn.« Sie drückte die Hand auf die verletzte Schulter und zuckte zusammen.
    »Verbring bloß meinen Geburtstag mit mir. Morgen. Das ist
alles, was ich will. Das schuldest du mir, weil du mich verlassen hast.«
    »Ich hab’ dich nicht verlassen. Wir hatten nichts miteinander, du verdammter Irrer. Du warst nicht mein Liebhaber.«
    Bliss sah sie mit offenem Mund an. »Ich war in dich verliebt.«
    »Verliebt? Wir haben eines Nachts fast miteinander geschlafen, fast, vor Jahren, und das ist nur passiert, weil ich zu besoffen war, um gerade zu stehen. Wenn ich nüchtern gewesen wäre, wäre ich nicht in deine Nähe gekommen.«
    »Sag das nicht.«
    »Du bist wirklich erbärmlich.«
    »Ich hab’ alles für dich aufgegeben.« Er stand mit gesenktem Kopf und schlaff herabhängenden Armen vor ihr. »Ich habe meinen Traum aufgegeben, Arzt zu werden.«
    »Ach Quatsch. Du wärst nie Arzt geworden.« Sie begann, sich aufzusetzen, und verzog das Gesicht vor Schmerz. »Begreif es doch endlich, Malcolm, du bist ein elender kleiner Beamter und wirst immer einer bleiben.«
    »Tu’s nicht«, jammerte er. »Verlaß mich nicht. Bitte nicht.«
    Aber sie ließ ihn zitternd stehen, während sie sich mühsam hochrappelte, durchs Zimmer humpelte, ihre Stiefel aufhob, die Reißverschlüsse hochzog und sich in ihren Wildlederrock quetschte. »Außerdem ist diese Wohnung ekelhaft!« Sie fand ein Deodorant in ihrer Tasche und versprühte es in der Luft. »Sie stinkt, es stinkt hier wie in einem Schweinestall.«
    Schluchzend sank Malcolm gegen die Wand und sackte, den Kopf in die Hände gestützt und am ganzen Körper zuckend, in der Ecke zusammen. »Bitte verlaß mich nicht.«
    »Ach komm.« Jonis Stimme klang jetzt sanfter. Er hörte, wie sie auf ihn zukam und sich neben ihn stellte; er sah ihren Fuß dicht neben dem seinen. »Sei kein Baby.«
    »Verlaß mich nicht!« Er streichelte ihren Fuß in dem Wildlederstiefel. »Geh nicht.«
    »Ich muß gehen. Hör zu, beruhig dich. Wir können Freunde sein.«

    »Nein.«
    »Malcolm. Komm. Ich gehe jetzt, ja, Malcom?«
    Aber diesmal war er schneller.
    Mit einer Bewegung packte er ihren Fuß und riß ihn hoch, über seinen Kopf. Joni suchte nach einem Halt, aber ihre Hände glitten an der glatten Mauer ab. Mit fuchtelnden Armen knallte sie auf den Boden. Bliss drehte sich

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