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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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glaubte nicht, daß Ewan dort begraben lag.
    Penderecki, der Caffery den Rücken zugewandt hatte, trug wie üblich seine tabakbraune Weste. Eine Hand ruhte auf einem Rechen, und neben ihm pustete der zerbeulte Verbrennungsofen Rauch in die Luft. Vor siebzehn Jahren hatte Penderecki entdeckt, daß Caffery Sachen von ihm sammelte, seinen Abfall durchwühlte und alles mitnahm, was auf Spuren von Ewan hätte deuten können. Seitdem hatte er sich angewöhnt, seinen Hausabfall zu verbrennen, und um sicherzustellen, daß Caffery dies auch mitbekam, machte er es im hinteren Garten, vor Cafferys Augen.
    Während Caffery zusah, räusperte sich Penderecki, spuckte Schleim auf den Boden und blieb dann, eine Hand auf den Deckel des Verbrennungsofens gelegt, vollkommen reglos stehen, um mit gespannter Wachsamkeit auf Jacks Gegenwart zu reagieren. Diese wissende Pose, diese weiblichen Hüften und dieses graue, über die leuchtendrosafarbene Kopfhaut gestriegelte Haar; Caffery spürte, wie die alte Wut ihn wieder packte, ganz so, als könnte Penderecki sie über die zweihundert Meter, die sie trennten, wie einen Film abspulen.
    Langsam drehte sich Penderecki um und sah ihn lächelnd an.

    Blut schoß Caffery ins Gesicht. Darüber verärgert, daß er erwischt worden war, wandte er sich vom Zaun ab und marschierte durch den Garten zurück.
    Von der Veranda aus hatte ihn Veronica nicht aus den Augen gelassen.
    »Was?« fragte er und blieb stehen. »Worauf starrst du?«
    Als Antwort atmete sie geräuschvoll durch die Nase aus und schloß dabei halb die Augen.
    »Was? Was ist?«
    Sie seufzte schwer.
    Caffery öffnete die Hände. »WAS??«
    Und dann erinnerte er sich. Die Tests.
    »Jesus.« Er schüttelte ernüchtert den Kopf. »Tut mir leid. Hast du was gehört?«
    »Ja.«
    »Und?«
    »Oh, ich fürchte, er ist wieder ausgebrochen. Der Krebs ist wieder ausgebrochen.« Sie kniff die Augen zusammen, und ihr Gesicht zuckte, aber sie weinte nicht.
    Caffery stand ganz still und starrte sie an. Das war es also.
    »Doktor Cavendish hat angerufen. Tatsache ist, daß ich mit der Chemotherapie wieder anfangen muß.« Sie zog die Jacke enger um die Schultern. »Aber wir werden keine große Sache daraus machen. In Ordnung?«
    Caffery senkte den Kopf und starrte blicklos auf den Beton. »Tut mir leid.«
    »Mach dir nichts draus.« Sie griff nach vorn und tätschelte ihm die Hand. »Es ist nicht deine Schuld.«
    »Wir sagen die Party ab«, sagte er.
    »Nein! Nein, ich möchte nicht, daß mich jemand bemitleidet. Wir sagen die Party nicht ab.«

9. KAPITEL
    A ls die morgendliche Besprechung begann, hatte Caffery bereits mit Virgo gesprochen, einer Ostlondoner Agentur, die die zweiundzwanzigjährige Kayleigh Hatch, Stripperin, Gelegenheitspostituierte und Vollzeitdrogenabhängige vertrat. Dort erinnerte man sich an die Bugs-Bunny-Tätowierung, und als Caffery erfuhr, daß Kayleighs letzter Auftritt im Dog and Bell stattgefunden hatte, bat er Virgo , ein Foto rüberzuschicken.
    Das steckte er an die Pinnwand neben die Aufnahmen von Petra Spacek, Shellene Craw und Michelle Wilcox.
    »Dieses Pub ist unser Ausgangspunkt.« Er stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch und sah auf die versammelten Ermittlungsteams. »Wir lassen es seit heute morgen beobachten, aber der Chief Superindendent hat deutlich gemacht, daß er zuerst die Identifizierung der Opfer wünscht, bevor wir dort einfallen. Also arbeiten wir heute daran.« Er machte mit dem Kopf ein Zeichen auf das neue Foto. »Nun zu Hatch. Wenigstens haben wir einen Namen. Ich würde sagen, daß wir hier Opfer Nummer vier vor uns haben. Und das einzige, wenn Sie sich an das Obduktionsprotokoll erinnern, das keine Kopfwunden aufwies. Abgesehen davon entspricht sie dem Muster: Drogen und Prostitution. Und ebenso wie die anderen wurde sie nicht vergewaltigt. Falls sie Verkehr hatte, wurde ein Kondom benutzt, wie in ihren Kreisen üblich.« Er schwieg einen Moment, um den anderen Zeit zu geben, seine Worte aufzunehmen. »Hatchs Mutter hat sie vor zwei Wochen als vermißt gemeldet. Sie wohnt drüben in Brentford, also könnten Sie, Essex, vielleicht heute morgen dort rüberfahren. Aber vergessen Sie nicht,
daß sie außer Wilcox das einzige Opfer ist, das als vermißt gemeldet wurde. Bei allen anderen war es verdächtigerweise sehr leicht, sie verschwinden zu lassen. Denken Sie daran, wenn Sie die Nachbarn befragen. Nun zu Ihnen, Logan.« Er wandte sich an den Beamten, der für die Beweismittel zuständig war.

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