Der Vogelmann
diesen Gesichtspunkt bei allen Befragungen berücksichtigen. Wenn ein Name auftaucht, stellen Sie behutsam fest, welche Hautfarbe die Person hat. Und ich meine behutsam.« Er schraubte seinen Füller zu. »Wir fordern eine weitere Überwachungsmannschaft für das Betonwerk an. Selbst wenn es sich dabei nicht um unseren Täter handelt, werden wir uns mit ihm unterhalten müssen. Und, Diamond …«
»Ja?«
»Lassen Sie den rassistischen Mist.« Er stand auf. »In Ordnung?«
10. KAPITEL
C affery verließ die Besprechung, ohne mit Maddox zu reden. Ihm gefiel die Wendung nicht, die die Sache genommen hatte. Er glaubte nicht, daß der Täter ein Schwarzer war: Von Krishnamurthis Ergebnissen ausgehend, nahm er an, daß die Spur des Vogelmanns irgendwo zwischen dem Pub auf der Trafalgar Road und einem hiesigen Krankenhaus zu finden war. Es handelte sich wohl gar nicht um einen Arzt, wahrscheinlich auch nicht um eine Hilfskraft, sondern um jemanden, der im medizinischen Bereich tätig war, möglicherweise aus dem technischen oder administrativen Sektor. Vielleicht sogar um einen Krankenpfleger.
Er parkte vor dem Trödelladen und wollte gerade Geld in die Parkuhr werfen, als eine Tür zuschlug und Rebecca auf seinen Wagen zukam. Sie trug ein enganliegendes Baumwollkleid in blassem Rosa, und ihr langes zimtfarbenes Haar fiel glatt bis zur Taille hinunter. Sie stieg auf den Rücksitz, und der zerbeulte alte Jaguar war plötzlich vom Duft ihres Parfüms erfüllt.
Er drehte sich herum. »Sind Sie sicher, daß Sie das machen wollen?«
»Warum nicht?«
»Ich weiß nicht«, sagte er aufrichtig und fuhr an. »Ich weiß nicht.«
Schweigend fuhren sie den kurzen Weg zum Leichenschauhaus, und Caffery beobachtete sie im Rückspiegel. Sie starrte aus dem Fenster, ihre Schultern waren entspannt; sie hatte eine Hand in den Schoß gelegt und die langen, glänzenden Beine waren lässig ausgestreckt, während die Schatten von Laternenpfählen
und Häusern über ihr Gesicht strichen. Ihre Kooperationsbereitschaft war eine äußerst unsichere Sache – er wußte nicht, ob er sie bei der Stange halten konnte.
»Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?« sagte er, als sie durch den Gedenkgarten zum Empfang gingen.
»Darüber, was Joni macht? Was ich getan habe?« Sie sah ihn nicht an. Mit der seltsamen Ernsthaftigkeit einer First Lady hielt sie den Kopf erhoben. »Wollen Sie mich fragen, wie ich dazu gekommen bin, so etwas zu machen?«
»Nein.« Auf der Suche nach Tabak klopfte er seine Taschen ab. »Ich wollte Sie fragen, warum Sie mit Joni zusammenwohnen.«
»Sollte ich das nicht?«
»Sie sind sehr verschieden, finden Sie nicht?«
»Weil sie aus dem Arbeitermilieu stammt, meinen Sie?«
»Nein. Ich …« Er stockte. Vielleicht war es tatsächlich das, was er meinte. »Sie wirkt viel jünger als Sie.«
»Wir lieben uns. Ist das nicht klar?«
Caffery lächelte und schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht.«
»Aber das wollten Sie doch hören, oder? Es ist das erste, was die meisten Männer wissen wollen; ob wir miteinander vögeln.«
»Ja«, gab er lächelnd zu. »Ich bin auch nur ein Mensch, es war das erste, was ich mich gefragt habe. Aber ich meine etwas anderes. Sie haben Ihre Malerei; Sie haben ein Ziel, Joni hingegen …«
»Läßt sich bloß treiben?«
»Ja.«
»Und nimmt außerdem Drogen?«
»Ich glaube nicht, daß Sie das tun.«
»Doch, wenn ich Lust dazu habe.« Sie lächelte ihn kurz an. »Ich bin Künstlerin, Mr. Caffery, von mir erwartet man, zügellos zu sein. Und Joni wird ihr Ziel bald finden. Ich selbst habe lange genug dafür gebraucht.«
»Also werden sie bei ihr bleiben und warten?«
Den Kopf zur Seite geneigt, dachte sie einen Moment darüber nach. »Wahrscheinlich schon«, sagte sie langsam und strich das Haar zurück. »Ich schulde ihr, glaube ich …« Sie zögerte und überlegte, wie sie es ausdrücken sollte. »Es klingt albern, wenn man es recht überlegt, es ist ein alberner Grund bei jemandem zu bleiben, aber Joni …« Sie fing seinen Blick auf und hielt lächelnd inne. »Nein. Ich mache es Ihnen zu leicht.«
»Ach, kommen Sie.«
»Wie gesagt, ich mache es Ihnen zu leicht.« Sie blieb vor dem Empfang stehen und wandte sich ihm zu. »Jetzt beantworten Sie mir eine Frage.«
»Ja.«
»Werde ich je vergessen, was ich heute zu sehen bekomme?«
»Es wirkt auf jeden anders.«
»Wie wirkt es auf Sie?«
»Möchten Sie das wirklich wissen?«
»Ja.«
Caffery sah durch die getönten
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