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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Scheiben in den klimatisierten Empfangsbereich. »Hier zu enden ist immer noch besser, als für immer zu verschwinden. Sie hätten auch nie gefunden werden können.«
    Daraufhin sah ihn Rebecca mit zusammengepreßten Lippen lange und nachdenklich an, bis er ihrem eindringlichen Blick nicht länger standhalten konnte.
    »Genug«, sagte er und hielt ihr die Tür auf. »Wollen wir hineingehen?«
     
    In der Schaukabine raschelten die purpurfarbenen Vorhänge, was bewies, daß sich ein Sektionsdiener an Petra Spaceks Leiche zu schaffen machte. Mit abgewandtem Kopf stand Rebecca da, während ihre Finger leicht auf der Scheibe ruhten.
    »Es riecht wie im Krankenhaus«, sagte Rebecca. »Wird sie riechen ?«
    »Sie werden nicht so nahe herankommen.«

    »Gut«, sagte sie angespannt. »Ich bin soweit.«
    Langsam bewegten sich die elektrisch betriebenen Vorhänge zurück. Petra Spaceks Mund und Augen waren geschlossen. Die Stellen, an denen Krishnamurthi die Kopfhaut über den Schäden gezogen und wieder angenäht hatte, waren unter purpurnem Satin verborgen. Die Leiche war für die Identifizierung hergerichtet worden, kleine Wattebäuschchen lagen unter den Augenlidern, um die eingefallenen Augäpfel aufzupolstern, aber Caffery erkannte zu spät, wie zerschunden und verzerrt Petra Spaceks Gesicht war, da er während des Gemetzels der ersten Sektion vergessen hatte, wie stark es im Lauf der Monate, die es im Betonwerk gelegen hatte, verwest war. Er war verlegen.
    »Rebecca, hören Sie, vielleicht ist das keine so gute Idee…«
    Aber sie hatte sich bereits umgedreht. Ihr Blick strich nur ein paar Sekunden über das Gesicht. Sie gab einen kleinen kehligen Laut von sich und wandte sich ab.
    »Alles okay?«
    »Ja«, sagte sie, gegen die Wand gerichtet.
    »Ich hätte Sie nicht hierherbringen sollen. Sie ist nicht zu erkennen.«
    »Doch.«
    »Glauben Sie, daß sie es ist?«
    »Ja. Ich meine, vielleicht. Ich weiß es nicht. Geben Sie mir einen Moment Zeit.«
    »Soviel Sie wollen.«
    Sie holte tief Luft und richtete sich auf. »In Ordnung«, murmelte sie. Sie schlang ihr Haar zu einem Knoten, hielt es im Nacken fest und benutzte die andere Hand, um sich den Mund zuzuhalten. Langsam drehte sie sich um. Ihr Blick glitt über das Gesicht, diesmal ließ sie sich Zeit und gestattete sich nicht wegzusehen.
    »Was sind das für Flecken auf der Stirn?«
    »Wir wissen es nicht.«
    Sie ließ das Haar fallen und wandte sich ihm zu. Es sollte
beiläufig wirken, aber Caffery spürte, daß sie damit vermeiden wollte, länger auf Petra Spacek sehen zu müssen. »Ich glaube, daß sie es ist.« Sie sprach im Flüsterton, ihr Blick wich zur Seite, als hätte sie Angst, Petra könnte sie hören.
    »Sie glauben es nur?«
    »Nein. Ich bin sicher, daß sie es ist.«
    »Ihr Gesicht ist fast unkenntlich.«
    Rebecca schloß die Augen und schüttelte den Kopf. »Sie war ohnehin sehr dünn. Man konnte sie immer erkennen: an ihren Knochen.« Langsam öffnete sie die Augen und sah ihn an. Zum ersten Mal bemerkte er, daß sie zitterte. »Können wir jetzt gehen?«
    »Kommen Sie.« Er legte die Hand auf ihren Arm und spürte, wie eisig ihre Haut plötzlich geworden war. »Wir erledigen den Papierkram am Empfang.«
     
    Er brachte ihr Wasser in einem Pappbecher.
    »Danke.«
    »Sie müssen hier unterschreiben.« Er setzte sich neben sie, öffnete seine Aktentasche und suchte nach den Formularen. Rebecca legte ihre kalte Hand auf sein Handgelenk und deutete in die Samsonite-Tasche.
    »Was ist das?«
    Durch eine klare Plastikhülle waren Petras Obduktionsfotos zu sehen. Caffery schloß die Aktentasche.
    »Tut mir leid, daß Sie das gesehen haben.«
    »Wurden die aufgenommen, als man sie hergebracht hat? Hat sie so ausgesehen?«
    »Ich hätte nicht zulassen dürfen, daß Sie das sehen.«
    »O Gott.« Sie zerknüllte den Pappbecher. »Es war nicht schlimmer als die Alpträume, die ich hatte, nachdem Sie beide bei uns waren.«
    »Wir versuchen, die Sache kurz zu machen.«
    »Wenn das ein Entschuldigung sein soll, ist sie angenommen.«
    Er stellte die Aktentasche auf seinen Schoß und breitete die
Formulare aus. »Hier.« Er zog die Kappe eines Stifts mit den Zähnen ab und kreuzte verschiedene Stellen an. »Sie müssen hier und hier unterschreiben. Dies bestätigt, daß Sie die Leiche gesehen haben, und…« Er hielt inne. Jemand hatte sich geräuschvoll geräuspert. Eine eindeutige Warnung, einen Moment den Mund zu halten.
    Sie sahen beide auf.
    Detective Sergeant Essex

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