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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Zwanzigern kam geduckt aus dem Regen herein. Er trug eine graue Tommy-Hilfiger-Baseballmütze, hohe Nike-Stiefel und war schlank, aber muskulös. Sein linker Eckzahn war mit Gold überzogen. Er war schon fast an der Bar, bevor er bemerkte, daß alle ihn anstarrten.
    Mit vor Begeisterung über die Jagd zusammengekniffenen Hinterbacken war Detective Diamond in Sekunden neben ihm. Leicht, aber bestimmt legte er die Hand auf seine Schulter und führte ihn zu einem Tisch.
    »Sie dürfen nicht zulassen, daß er ihn befragt«, flüsterte Caffery Maddox ins Ohr. »Nicht als Zeugen. Er macht die Vernehmung eines Verdächtigen daraus.«
    »Mischen Sie sich nicht ein«, sagte Maddox.
    »Er ist sich bereits sicher, nach wem er suchen muß.«
    »Das«, sagte Maddox, »war ein Befehl.«
     
    Jerry Henry, der in den Straßen um Deptford als Gemini bekannt war, war noch nie verhaftet worden. Das führte er auf die Tatsache zurück, daß er ein kleiner Fisch war. Das war seine Stärke. Für die Bullen war er einfach nicht der Mühe wert. Er sah sich als lauernden Hai, der an den Rändern von Deptford entlangstrich und alles aufschnappte, was von den beiden großen Gangs angeschwemmt wurde, welche die Gegend beherrschten. Er richtete keinen Schaden an.
    Aber andererseits bedeutete klein auch schutzlos. Die Bullen
waren nicht blöd; sie wußten, daß die Ware irgendwo herkommen mußte. Manchmal übten sie auf einen seiner Sorte Druck aus, nur um die Sache immer weiter und weiter zurückzudrängen, bis sich alles gegen einen der Oberen wandte. Die Bullen würden sich kein Gewissen daraus machen, ihn zu opfern, wenn es darum ging, eine der großen Südlondoner Gangs auszuheben.
    Egal, was sie wollen , sagte er sich, als er dem Polizisten zu einem Tisch folgte, laß dich nicht aus der Ruhe bringen, streit alles ab, sie müssen’s erst beweisen. Er überlegte schnell, was er heute bei sich hatte. Es könnte gerade noch als Eigenbedarf durchgehen, aber Dog aus New Cross hatte etwas Crack aus einem der Peckham-Laboratorien für ihn geklaut, nicht viel, nur ein paar Krümel, die Gemini aufgeteilt hatte. Behalt sie im Mund, Mann. Schluck sie, wenn du in Schwierigkeiten kommst. Aber Gemini hatte dazu keine Lust gehabt, sie steckten in seinen Stiefeln, und jetzt zahlte er den Preis dafür.
    »Streit alles ab. Red dich raus.«
    »Was haben Sie gesagt?« fragte der Polizist.
    »Nichts«, murmelte Gemini. Er ließ sich auf den Stuhl fallen.
    »Also gut, im Moment handelt es sich nur um eine Routineüberprüfung.« Der Polizist schob seine Rockschöße nach hinten, setzte sich rittlings auf den Stuhl und sah ihn an, während sein kleiner runder Bauch auf seinen Schenkeln ruhte und seine Ellbogen auf dem runden Tisch aufgestützt waren. Gemini lehnte sich lässig zurück, eine Hand in den Bund seiner Calvin-Klein-Jeans geschoben, den Kopf zur Seite geneigt, die Mundwinkel trotzig nach unten gezogen.
    »Laß dich nicht aus der Ruhe bringen. Streit alles ab. Sie müssen’s erst beweisen. Red dich raus«, murmelte er.
    Das machte den Polizisten wütend. Er schob den Kopf nach vorn, bis er nur noch Zentimeter von Geminis Gesicht entfernt war. »Was? Versuchen Sie, mit mir zu re-den ?«
    »Regen Sie sich nicht auf, Mann.« Gemini zuckte vor dem bitteren Atem nicht zurück. Beiläufig drehte er die Handfläche nach außen. »Wer sind ’n Sie, Mann?«

    Der Polizist schluckte schwer und zog sich zurück. Er trommelte mit seinem Kugelschreiber auf den Tisch. »Detective Inspector Diamond.« Das Detective Inspector sprach er mit übertriebener Deutlichkeit aus. »Sind Sie hier Stammgast?«
    »Was geht’n Sie das an, Mann?«
    »Kennen Sie eines der Mädchen, die hier arbeiten?«
    »Nein.« Gemini schnalzte verächtlich mit der Zunge. »Ich kenn’ die Mädchen hier nicht.«
    »Sie haben nie eines von ihnen kennengelernt? Das überrascht mich.« Der Polizist sah ihn mit einem hochmütigen Blick aus seinen farblosen Augen an und schob ein Foto über den Tisch. »Hilft Ihnen das auf die Sprünge?«
    Gemini erkannte sie sofort. Vor allem die Blonde. Shellene. Monatelang hatte er kleine Mengen an sie verkauft und ihr als Fahrer gedient. Vor ein paar Wochen hatte sie ihm auf dem Rücksitz seines GTI einen geblasen, als Gegenleistung für ein bißchen Kokain. Er fragte sich, was die Mädchen den Bullen über seine Geschäfte erzählt hatten.
    »Ich hab’ sie vielleicht mal gesehen. Vielleicht is’ die da ’ne Tänzerin hier. Aber das is’ alles.«
    »Sie

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