Der Vogelmann
Peace lächelte, als sie die Blasen aufsteigen sah und die Ränder der Pfanne klar silbern blieben.
»Guter Stoff«, sagte sie.
»Absolut rein. Ich setze dir die Spritze. Ich kann es, ohne daß es weh tut.«
»Ja?«
»Ich war Arzt.«
»Aber nicht in den Arm, in Ordnung? Meine Mum überprüft meine Arme.«
»In Ordnung.«
Er ließ sie auf einem Hocker Platz nehmen und band ein Handtuch direkt unter ihre Wade, und als die Vene zwischen der kaffeebraunen Haut und dem Weiß ihres Fußknöchels heraustrat,
stach er mit der Nadel hinein und drückte den Spritzeninhalt aus.
»Au«, schrie sie leicht auf, grinste und schloß die Hände um das Fußgelenk. »Au. Sie Metzger. « Sie lächelte, als der Flash eintrat und sie in die rotlederne Eckbank sank. »Sie sind kein Doktor, Sie sind ein Metzger«, murmelte sie und lächelte abwesend. Ihr Kopf hing schlaff herunter, und das schwarze Fenster reflektierte ihre riesengroßen Augen. »O Gott, das is’ gut, is’ echt gut …«
Harteveld nahm seinen Pastis, stand beim Kühlschrank und beobachtete sie. Er überlegte, was er diese Nacht mit ihr anstellen könnte, was sie für ihn tun könnte, und eine tiefe, starke Kraft erfüllte seinen Unterleib. Sie konnte ihm auf eine Weise vergessen helfen, wie nicht einmal Heroin es vermochte. Sie war eine kostbare, süße Medizin, um das Vergessen herbeizuführen, dieses Mädchen.
»Wenn du einen noch besseren Flash willst, weiß ich noch eine andere Möglichkeit.« Er nahm einen Schluck von seinem Getränk. »Möchtest du?«
»Ja, das will ich.« Sie lachte träge und schwang sich mit hängendem Kopf aus der Eckbank. »Zuerst muß ich kotzen, wenn’s Ihnen nichts ausmacht.«
»Dort ist das Becken.«
»Danke.« Sie lächelte, als sie das Haar aus den Augen strich und sich über die Geschirr- und Gläserberge erbrach. »Huch.« Sie sah lächelnd zu ihm auf und wischte sich die nasse Nase ab. »Huch. Ich hasse das. Sie nicht?«
»Willst du den schnellen Flash?«
»Ja, ja, ja.« Sie öffnete den Wasserhahn. Ihr Kopf schwankte leicht. »Will ihn, will ihn, ich will ihn.« Sie begann über ihren eigenen Singsang zu lachen. »Peace will ihn, gib ihn Peace.«
Während er eine zweite Spritze füllte, sank sie wieder in die Eckbank, warf den Kopf zurück und zappelte mit dem Fuß. »Gib ihn Peace.« Sie zuckte mit den Schultern, rutschte auf der Bank herum, tanzte zu einer inneren Melodie auf der Stelle, ließ
die Hände auf die Bank krachen und lachte sich schief, als hätte es auf der Welt nie etwas Komischeres gegeben.
Harteveld beobachtete sie, während er arbeitete. Trotz seiner panikartigen Erregung war er kaltblütig genug, sich zu beherrschen und den Moment so zu sehen, wie er war. In ihren letzten Minuten verschönte der Hauch des Todes das Leben, und sie hatte wundervoll ausgesehen, wie sie zusammengesunken in seiner Küche saß und leise vor sich hin sang; so hatte sie nur einmal ausgesehen, nämlich bei ihrer Geburt. Dieser Augenblick unter dem sanften Licht der Küchenlampe brachte ihr wahres Wesen zum Vorschein.
»Heb dein Haar, Peace.« Er mußte sich bemühen, damit seine Stimme nicht zitterte. »Heb es hoch, und laß mich hier hinten vorbei. Du wirst nichts spüren.«
Sie gehorchte, ihre glasigen Augen drehten sich zum Fenster, um ihr Spiegelbild zu beobachten. »Was is’n das?«
»Es ist Heroin. Bloß ein bißchen. Aber so eingeführt, kriegst du einen Flasch, der mit nichts zu vergleichen ist, was du je erlebt hast.«
»Süüüß«, sagte sie schnurrend und beugte den Kopf nach unten.
Ein Schweißtropfen fiel von Hartevelds kaltem Gesicht auf die Lederbank, aber er zitterte nicht. Nur einmal, nur ein einziges Mal war es schiefgegangen. Das Mädchen hatte sich geweigert, und er mußte es fesseln, es mit einem Handtuch knebeln und seine Hände und Füße mit zwei seiner Hemden zusammenbinden. Sie hatte gekämpft wie eine Bestie, aber sie war sehr klein gewesen, und Harteveld war es gelungen, sie auf den Boden zu werfen, ungeachtet ihres heißen Urins, der auf seine Waden triefte, und die Nadel durch die Schädelknochen zu stoßen.
In der Eckbank öffneten sich Peaces Eingeweide, und ihr Kopf zuckte einmal. Das war die einzige Bewegung.
Harteveld sank gegen die Wand zurück und begann zu zittern.
Das war vor zwei Nächten gewesen. Jetzt saß er hier im Dunkeln mit Peace, die in Klarsichtfolie eingewickelt auf dem Boden lag. Sie war jetzt lange genug bei ihm gewesen. Es war an der Zeit, daß er das
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