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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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der sich seiner Frau und ihrer Karriere bereitwillig unterwarf.«
    Er meint es doch nicht so, würde Dorothea jetzt sagen. Martin war sich da nicht so sicher. Kinder meinen vieles so, wie sie es sagen, und zwar ganz gerade und unkompliziert. Irgendwas musste vorliegen zwischen ihnen. Aber was? Was hatte er dem Kind getan, vielleicht unbewusst und unabsichtlich? Was war von gestern übrig geblieben an Erinnerungen? Welches Trauma begann sich in diesem Moment unauslöschlich in die Kinderseele einzufressen?
    Martin war sich keiner Schuld bewusst. Aber Otto hatte dafür gesorgt, dass er diesen Tag nach einem guten Start mit einem schlechten Gewissen fortsetzte. Machen Kinder in dem Alter so was absichtlich? Oder hatten Dorothea und Otto bereits getuschelt, bevor er die Schlafzimmertür geöffnet hatte?
    Er hatte schon länger den Verdacht, dass seine Frau die Jungs heimlich gegen ihn aufhetzte. Kinder sind eine unglaublich brutale Waffe im Geschlechterkrieg, wenn man sie zu bedienen weiß. Dorothea war eine Meisterin in dieser Disziplin. Aber er holte auf.
    »Böser Papa«, wiederholte Otto. Martin überlegte, ob er diesem miesen kleinen Kerl einfach ansatzlos eine Backpfeife verpassen sollte.
    Da schlug Dorothea die Augen auf. »Was ist los? Was hast du mit dem Jungen gemacht?«, fragte sie. Typischer Reflex. Er war schuld. Klar. Wer sonst?
    »Nichts, gar nichts. Ich wollte nur gucken, wie es euch geht.«
    »Böser Papa«, wiederholte Otto noch einmal.
    »Ist ja gut«, sagte Dorothea und befahl zu Martin gewandt: »Mach doch schon mal eine Liste wegen heute Abend. Das Essen mit Holtkötter ist vielleicht der wichtigste Termin des Jahres für uns.«
    Martin nickte ergeben. Vor allem für uns, dachte er.
    Holtkötter war der Senderchef. Und Dorothea hatte ihn eingeladen. Normalerweise kam Holtkötter nie zu solchen Essen. Aber er mochte Dorothea. Sie wiederum wollte ihn überzeugen, dass sie die ideale Moderatorin für das neue Magazin sei, das Wissenschaft, Gesellschaft und Partnerschaft vereinen sollte. »Think society« oder so ähnlich lautete der Titel.
    Entgegen der großmäuligen Ankündigungen würde das Format sich am Ende doch wieder nur darum drehen, warum die Deutschen immer weniger Sex hatten. Und seine Frau sollte diesen Krempel moderieren. Eines Tages würde die Bunte dann vermutlich fragen, wie es denn mit ihrem eigenen Sexleben bestellt sei. Martin fürchtete sich vor der Antwort.

    Attila zuckte, erschrak und tauchte unter. Das kühle Wasser versetzte ihn schlagartig in Panik. Er schlug um sich. »Alles okay?«, hörte er eine vertraute Stimme fragen. Er riss die Augen auf. Über ihm stand Camille, in einer Sünde von Nachthemd. Attila fand, dass eine Erektion jetzt wohl die angemessene Reaktion wäre. Aber das kalte Wasser verhinderte jede Blutbewegung.
    Faszinierend, dass ihn die Kühle des Badewassers nicht aufgeweckt hatte. Wahrscheinlich war es mit ihm wie mit dem Frosch, nur umgekehrt. Der Frosch im Topf merkte
nicht, wenn er gekocht wurde, solange die Temperatur kontinuierlich stieg. Und der Mann in der Wanne merkte nicht, dass er erfror, solange das Wasser stetig abkühlte. Attila sortierte seine Gedanken. Er hatte offenbar schon eine ganze Weile in der Badewanne gelegen, weil er eingeschlafen war. Er war heute Morgen gelaufen, mit einem sensationellen Schnitt unter fünf Minuten. Gute Zahlen gaben ihm Kraft. Er musste heute nicht ins Büro, stattdessen zum Check, und seine bezaubernde Frau ließ soeben ihre Brüste über ihm baumeln, denen man gar nicht ansah, dass ihnen das Implantieren von körpereigenem Fett zu jeweils dreihundertfünfzig zusätzlichen Gramm verholfen hatte.
    »Konnte man von Liebe sprechen? Warum eigentlich nicht? Wahrscheinlich hatten sie das klarste und fairste Verhältnis, das man sich vorstellen konnte.«
    Camille lächelte ihn an, wobei er nie wusste, ob es sich um Sympathielächeln oder Heiratsschwindler-Grinsen handelte. Schließlich hatte er Camille aus ihrem ukrainischen Elend befreit. Daher auch ihr ursprünglicher Vorname Olga, der Attila allerdings entschieden zu stark an Kolchose und Kartoffelacker erinnert hatte. Konnte man von Liebe sprechen? Warum eigentlich nicht? Wahrscheinlich hatten sie das klarste und fairste Verhältnis, das man sich vorstellen konnte. Sie führten eine Win-Win-Beziehung, die edelste Form der Ökonomie. Es gab keine Geheimnisse, keine Hidden Agenda, beide Seiten hatten das Gefühl, ein gutes Geschäft zu machen: Er schenkte ihr ein

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