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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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die Haut so straff, so gesund, und alle rasiert, ab und zu ein kleiner Adolf oder eine kleine Landebahn, aber kein Busch, wie er in seinen Anfangsjahren noch üblich war. Und wie hemmungslos die mittlerweile alle im Bett geworden waren. Sagenhaft.
    Er konnte sich gar nicht vorstellen, jemals mit einer Frau über vierzig zu schlafen, das wäre ja wie Sex mit der eigenen Mutter zu haben. Ich werde mich immer nach genau diesen Körpern sehnen, dachte Lars, und nicht plötzlich anfangen, Gewebeschwäche und Falten sexy zu finden. Vielleicht war das ganze Hochzeits-Ding doch nichts für ihn,
denn egal, wen er heiraten würde, irgendwann wurde auch diese Frau alt - und dann? Selbstkasteiung oder was? Lars lächelte zufrieden. Eigentlich führte er ein cooles Leben. Er freute sich auf Sandy. Und Doro. Und Nicky.

    Als Maik nach Hause kam, verschwitzt und unglücklich, erwartete ihn bereits der gewohnte Horror. Ulrike und ihre Mutter, die sie immer noch »Mama« nannte, hatten Kartoffelsalat und Melonenschiffchen angerichtet; Heinz grillte draußen. Der Strandkorb war verschwunden. Wahrscheinlich in der gelben Tonne. Leni war eine militante Mülltrennerin.
    Maik winkte Ulrike einen stummen Gruß zu. Zum Glück hatte niemand Lust, sich in der Nähe eines schwitzenden Griesgrams aufzuhalten, dem der Schweiß aus allen Poren troff.
    Maik verbrachte eine Ewigkeit unter der Dusche, hoffend, dass das Abendbrot an ihm vorbeigehen würde. Er drehte die Dusche wechselweise auf kalt und sehr, sehr heiß. Nach dem Wochenende in der Eifel hatte Maik überlegt, sich womöglich auch zum Schamanen ausbilden zu lassen. Er spürte ganz tief in sich besondere Fähigkeiten, die allerdings nicht an die Oberfläche kamen. Er musste dieses Potenzial eines Tages heben. Beim Seminar hatte er zwei Tage fast ununterbrochen in der Schwitzhütte zugebracht, mit sechs anderen Männern. Alles kochte, das Hirn, die Gefühle, sogar das Wasser im Arsch. Statt Essen gab es seltsamen Brei aus Pflanzen, angeblich bewusstseinserweiternde Wurzeln der Indianer, um zurückzugelangen, an die Anfänge, die eigenen Wurzeln. Wurzeln essen, Wurzeln finden, so platt klang die Gleichung, die Maiks Kopf verlachte, seine Seele aber glauben wollte.

    Sie sollten den Weg durch den Geburtskanal nachvollziehen, hatte der Schamane gesagt, aber Maik hatte keine Lust. Er wollte Frauen lieber nicht als umgekehrte Babyklappe betrachten.
    Der Seminarleiter hieß Tom und war ein seltsamer Vogel mit Lederweste und einer Feder im Haar, der ziemlich viel kiffte, was den Schamanen-Beruf aber nicht unattraktiver machte, fand Maik. Der Kiffer hatte zehn Jahre bei Hopi-Indianern verbracht, oder vielleicht hießen sie auch Dopi. Tom roch jedenfalls nach Tipi. »Männer müssen Männer sein«, hatte Tom gesagt. Nee, klar. Aber wie, du Schamane?
    »Männer wollen wissen, wer sie sind. Vielleicht auch nicht. Denn nachher stellen wir fest, dass da gar nichts ist außer Angst oder der Lust auf eine Flasche Bier.«
    Die sechs Männer hatten eines gemeinsam: Sie wussten nicht, wer sie waren, woher sie kamen, wohin sie wollten. Sie waren erfolgreich oder erfolglos, aber alle am Ende. Sie teilten das Gefühl, mit Karacho in einen sehr langen Tunnel gerannt und plötzlich gegen eine schwarze Mauer gekracht zu sein. Dagegen wollten sie jetzt gemeinsam anschwitzen.
    Sie hatten ein Lagerfeuer und die Schwitzhütte. War es zu warm, gingen sie nach draußen, wurde es zu kalt, kehrten sie zurück zu den heißen Steinen. Tom hielt einen Talking stick, einen Holzstab mit Lederriemen. Wer ihn hielt, durfte reden. »Männer wollen wissen, wer sie sind«, hatte Tom
gesagt. Vielleicht auch nicht, dachte Maik. Denn nachher stellen wir fest, dass da gar nichts ist außer Angst oder der Lust auf eine Flasche Bier.
    In der Nacht zwischen der Kälte und der Hitze sollte die Trance kommen, der Kontakt zu den Ahnen, zu den Wurzeln, zum eigenen Ich. Maik war mehrfach der Ohnmacht nah, bei der Tanzzeremonie fiel er hin. »Du suchst Stabilität«, hatte Hopi-Dopi gesagt. Für diese Erkenntnis hätte Maik sich nicht die Nächte um die Ohren schlagen müssen.
    So gut wie Hopi-Dopi hätte er den Zeremonien-Heckmeck auch hinbekommen. Immerhin hatte er gemerkt, dass es Tiefen in der Seele gab, aus denen man Fundstücke bergen konnte. Er hatte Häuptling Cooler Panther in sich entdeckt. Was hätte der zu Fee gesagt? Er hatte doch im Sinne des Häuptlings gehandelt. Er hörte ihn flüstern: »Es geht um deine Freiheit, Bruder!«

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