Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)

Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)

Titel: Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter W. Hohenester
Vom Netzwerk:
nicht schon früher darauf gekommen?
       

Der Schamane
    Meine Gedanken flogen zurück zur Kante des Schamanenhügels.
    Dort richtete ich mich auf. Eine mit niedrigem Gras bewachsene Fläche zog sich in einem weichen Bogen hinauf zur Hütte. Gefahr war keine zu erkennen. Langsam ging ich auf das Feuer zu. Der Schamane saß mit dem Rücken zu mir davor. Er bewegte sich nicht. Ein Windhauch ließ das kurze Gras erzittern.
    Plötzlich ertönte ein schriller Pfiff. Ich schrak zusammen. Rechts von mir hatte sich ein Murmeltier aufgerichtet und mit seiner Warnung die Stille zerstört. Auch der Schamane hatte sie vernommen. Er erhob sich und schaute in meine Richtung. Vorsichtig blieb ich stehen. Er winkte mich mit erhobenem Arm zu sich. Langsam bewegte ich mich vorwärts. Auf Keulenwurfnähe herangekommen, hielt ich an und legte meine Waffen nieder, wie es die gute Sitte gebot.
    Der Schamane hatte sein Feuer verlassen. Er kam bedächtig auf mich zu. Er war klein, fast schmächtig. Seine Beine steckten in eng geschnürten Fellhosen. Seine Schultern bedeckte ein graues Wolfsfell. Der gut erhaltene Kopf des Wolfes ruhte auf seinem Scheitel. Sechs doppelte Armlängen vor mir verlangsamte er den Schritt. Er sah mich prüfend an.
    »Ich kenne dich nicht. Du bist nicht aus dieser Gegend.«
    »So ist es«, sagte ich.
    Der Schamane wurde neugierig.
    »Suchst du Hilfe? Für wen? Wer hat dich geschickt? Du bist nicht krank.«
    »Nein.« Ich schüttelte den Kopf.
    Der Schamane runzelte die Stirn. Sein braunes faltiges Gesicht wurde von großen, weit geöffneten, strahlenden Augen beherrscht. Das gab ihm das Aussehen einer Katze.
    »Was suchst du sonst?«
    »Ich suche das Tal der heißen Quelle.«
    Das Gesicht des Schamanen wurde nachdenklich.
    »Was willst du im Tal der heißen Quelle?«
    Ich zuckte die Schultern.
    »Das Große alte Mammut schickt mich dorthin.«
    »Du trägst nicht das Zeichen des Schamanen«, stellte mein Gegenüber fest.
    »Nein.«
    »Wer hat gesagt, das Große alte Mammut will, dass du zum Tal der heißen Quelle gehst?«
    »Das Große alte Mammut selbst.«
    »Du hast die Reise gemacht? Wer hat dir zur Reise zum Großen alten Mammut verholfen? Wer hat dich geführt?«
    »Niemand hat mir zur Reise verholfen. Die graue Katze, die in den Wäldern jagt, hat mich geführt.«
    »Es ist gefährlich den Pilz allein zu essen «, stellte der Schamane fest.
    »Ich habe den Pilz nicht gegessen.«
    Im Gesicht des Schamanen stand Argwohn. Das konnte ich verstehen. Jeder wusste, dass man den Pilz essen musste, um die Reise zum Großen alten Mammut anzutreten. Ich selbst hatte es nicht glauben wollen, als mich die große graue Katze, die in den Wäldern jagt, zu ihm gebracht hatte.
    »Komm näher «, befahl der Schamane barsch.
    Ich trat vor ihn hin. Seine hellen wissenden Augen durchforschten mein Gesicht. Dann zog ein freudiges Lächeln der Erkenntnis darüber.
    »Nein «, sagte er. »Du brauchst den Pilz nicht zu essen, um die Reise zu machen. Du nicht! Du bist ein Nachfahr des Od. Dein von der Außenwelt abgewandtes Auge sagt es mir. Alle direkten Nachfahren des Od sind dem Alles Bewegenden näher als wir Übrigen. Lass dich begrüßen, mein Freund.«
    Wir umarmten uns und tasteten uns ab, als würden wir nach verborgenen Waffen suchen. So wie es die gute Sitte gebot.
    »Komm an mein Feuer», lud mich der Schamane ein. »Und bringe deine Sachen mit.«
    Ich holte meine niedergelegten Waffen und schlenderte ihm nach zu seiner Hütte. Er musste alt sein. Sehr alt. Aber trotz seines Alters wirkten seine Bewegungen katzenhaft geschmeidig.
    Vor der Hütte bot er mir einen Platz am Feuer an. Ich wartete, bis er sich gesetzt hatte. Dann ließ ich mich mit gekreuzten Beinen auf einem Kissen aus übereinander geschichteten Fellen nieder.
    »Du wirst hungrig sein«, vermutete er. Er reichte mir eine flache Schale aus Holz mit Nüssen und einem getrockneten Fisch. Mit der Hand wies er auf ein riesiges sonnengebleichtes Auerochsenhorn, das mit der Spitze vor mir in der Erde stak. Ein flacher Stein deckte es ab.
    »Trink«, forderte er mich auf. »Es ist frisches Quellwasser.«
    Ich hatte noch nie aus einem so großen, so stark gekrümmten Horn getrunken. Vorsichtig nahm ich den Deckelstein ab. Dann hob ich das Horn hoch und setzte den Rand an den Mund. Ein unvermutet heftiger Schwall von Wasser ergoss sich über mein Kinn und meine Brust. Das Wasser war eiskalt. Fast wäre mir das Horn entglitten. Der Schamane lachte.
    »Du musst es quer

Weitere Kostenlose Bücher