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Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)

Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)

Titel: Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter W. Hohenester
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halten«, belehrte er mich. Prustete aber sofort wieder los. Dabei schlug er sich mit den Fäusten begeistert auf die Oberschenkel.
    »Ärgere dich nicht«, unterbrach er sich dann. »Du brauchst nicht rot zu werden. Allen widerfährt dies beim ersten Mal.«
    Das tröstete mich ein wenig. Ich wischte mir mit dem Arm die Feuchtigkeit von Kinn und Oberkörper. Dann trank ich nach seinen Anweisungen und steckte das Horn zurück in das Loch in der Erde.
    »Die heiße Quelle«, sagte ich. »Kennst du den Weg dorthin?«
    Er nickte.
    »Iss jetzt. Ich werde dich hinführen, wenn die Zeit gekommen ist. Mache dir keine Gedanken. Es gibt eine Zeit zum Planen und eine Zeit zum Handeln. Es gibt eine Zeit zum Essen und eine Zeit der Ruhe. Jetzt ist Zeit zu essen und zu ruhen.«
    Er verschränkte die Beine, richtete seinen Oberkörper auf und legte seine Hände mit den Handflächen nach oben auf die Knie. Sein Gesicht entspannte sich. Seine Augen blickten geradeaus. Er war nicht mehr hier. Nur sein Körper saß noch da. Sein Geist war an einem anderen Ort.
    Ich schwieg und widmete mich den Speisen. Der getrocknete Fisch schmeckte vorzüglich. Er musste mit zerriebenem Salzstein behandelt worden sein, denn ich brauchte viele Schlucke aus dem Auerochsenhorn um ihn hinunterzuspülen und meinen Durst zu löschen. Nachdem ich gesättigt war, holte ich geräuschvoll die verschluckte Luft aus dem Magen.
    »Es hat dir also geschmeckt.«
    Der Schamane reckte die Schultern. Sein Geist war wieder hier.
    »Ja, ich danke dir. Die heiße Quelle. Wo ...?«
    Der Schamane unterbrach mich mit einer herrischen Geste.
    »Du wirst sie sehen. Wenn der Mond voll am Himmel steht. Ich bringe dich hin. Inzwischen kannst du bei mir wohnen. Ich bin Ojun. Hast du einen Namen?«
    »Sie nennen mich Asfa.«
    Der Schamane nickte. Mir brannte eine andere Frage auf der Seele:
    »Wozu, Ojun, öffnest du die Hände zum Himmel, wenn sich dein Geist aus der äußeren Welt zurückzieht?«
    »Ich öffne sie, um die Kraft des Alles Bewegenden zu empfangen.« Der Schamane lächelte.
    Ich hatte keine Vorstellung davon, was dieses »Alles Bewegende« sein sollte. Es musste etwas mit dem Großen alten Mammut zu tun haben, dessen war ich gewiss. Genaueres wusste ich nicht. Ich würde den Schamanen später darüber befragen.
    »Komm«, hörte ich ihn sagen. »Ich zeige dir meine Hütte.«
    Ich rappelte mich hoch. Die Hütte sah schon von außen ungewöhnlich aus. Die meisten Hütten, die ich gesehen hatte, hatten die Form eines Zeltes. Diese hier wölbte sich zu einer Kuppel über einem kreisrunden Grundriss empor. Sie war auch größer als andere Hütten. Die Felle der Wildpferde, mit denen sie gedeckt war, wurden am Boden von Mammutschädeln festgehalten. Ganz obenauf lag ein Kreis von Schulterknochen zum Beschweren.
    Ojun, der Schamane schlug das Eingangsfell zur Seite. Ich folgte ihm ins Innere und sah mich staunend um. Obwohl das Licht nur durch die Kaminöffnung über der jetzt kalten Feuerstelle hereinfiel, wirkte der Raum hell und freundlich. Das Gerüst des Bauwerks bestand aus kräftigen gebleichten, ineinander verkeilten Mammutknochen. Dadurch bekamen die Wände das Aussehen eines derben weißen Filigrans. Die Kuppel darüber wurde von mächtigen gekrümmten Stoßzähnen getragen. In der Mitte genau unter der Öffnung im Dach, stand ein runder etwas erhöhter Herd aus unregelmäßigen Felsbrocken, deren Fugen mit Lehm verschmiert, waren. Der Boden bestand aus nacktem Fels, der durch das dauernde Begehen mit den Fellschuhen blank poliert war und im Licht glänzte. An den Seiten entdeckte ich zwei neuartige Liegestätten. Zwischen Pfosten aus kurzen dicken Mammutknochen waren Felle gespannt. Daneben ragten Rentiergeweihe aus der Knochenwand. Daran hingen seltsame Gegenstände aus Holz, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Ojun erkannte meine Verwunderung.
    »Ich sammle«, klärte er mich auf. »Diese Geräte aus Holz sind Zeugnisse einer vergangenen Epoche. Damals verstanden es unsere Vorfahren noch nicht, den Stein zu bearbeiten. Sie benutzen Werkzeuge aus Holz, die sie mit groben Felssplittern, die sie fertig gefunden hatten, bearbeiteten. Wir finden diese Dinge manchmal in Eishöhlen, unter Geröll vergraben. Dort müssen Menschen gelebt haben, die kein richtiges Steinwerkzeug kannten. Erstaunlich, was diese Primitiven damals leisteten. Ich nenne die Zeit aus der diese Gegenstände stammen die Holzzeit.«
    Mir verschlug es die Sprache vor Staunen und Freude, bei einem

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