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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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zogen sich eilig in den unbedenklicheren Teil des Raumes zurück. Die Tür flog krachend auf, und der alte Pütrich stürmte herein.
    »Was habt Ihr hier zu suchen?« bellte er rauh. »Ihr seid hier nicht erwünscht!«
    Der wütende Kaufmann hielt einen Augenblick inne, als bemerkte er eben erst das Offenstehen des Schränkchens, stürzte darauf zu, räumte hastig die Lade frei, verschloß erst sie und danach den Kasten. Er trug einen Hausrock aus feinem Brokatstoff. Er war barhäuptig und offenbarte dadurch eine beträchtliche Glatze. Bei seinem Eintreten hatte er ein kräftiges Düftchen mitgebracht, so daß die unerwünschten Besucher daraus schlossen, er habe sein Frühstück oder seine Beschäftigung nur unterbrochen, um ins heimliche Gemach zu eilen.
    »Ihr wißt wohl nicht, daß es Unglück bringt, jemanden ungebeten an einem Montagmorgen aufzusuchen«, polterte der Kaufmann weiter. »Und von Schicklichkeit und rechtem Maß habt Ihr zwei ohnehin noch nichts gehört.«
    »Verzeiht, hoher Herr!« wagte Peter zu widersprechen. »Gerade dies ist’s, was uns um diese frühe Stunde zu Euch führt.«
    Die Kühnheit dieser Behauptung schien Pütrich seiner Sicherheit, mindestens aber der Standfestigkeit zu berauben, denn er ließ sich auf einen Stuhl fallen und brachte nur ein ungläubiges »ah« hervor.
    »Mit Recht werdet Ihr jetzt zweifeln«, setzte Peter nach, wobei er verlegen mit den Fingern spielte. »Und keiner kann es Euch verdenken, nach allem, was Euch angetan wurde.«
    Paul und Pütrich starrten den Sprecher gleichermaßen mißtrauisch an.
    »Doch Ihr sollt wissen«, fuhr Peter unbeirrt fort, »daß Euer Unglück und die neuerlichen schrecklichen Vorkommnisse zu Bestürzung unter den Flößern geführt haben.«
    »Weil einer von dem Gesindel um seinen Hals fürchtet!« warf Pütrich grob ein. Er war nicht gewillt, diesem Pharisäer auf den Leim zu kriechen.
    Nur nicht zu dick auftragen, ermahnte Peter sich selbst, schlüpfte aber sogleich wieder in die Rolle eines Predigers. »Ist’s nicht gerade dann das ehrliche Bedürfnis eines Christenmenschen, sein Gewissen zu erleichtern und ins reine zu kommen, wenn er an der Schwelle des Todes steht?«
    »Worauf wollt Ihr hinaus?« fragte Pütrich argwöhnisch.
    »Man sagt, Ihr wäret einer großen Summe Geldes verlustig gegangen, nicht nur wegen des Floßes, mehr noch aufgrund des Einbruchs.«
    »So, sagt man das?« erwiderte der Kaufmann lauernd. »Ich kann mich nicht erinnern, mit jemandem darüber gesprochen zu haben.«
    »Aber deswegen sind wir doch hier, hoher Herr«, beteuerte Peter.
    »Erklärt Euch!«
    »Wir, das heißt die Floßleute und unsere Wenigkeit, dachten an eine Wiedergutmachung, die freilich nur ungenügend und eher symbolisch sein kann, solange uns die Höhe Eures tatsächlichen Schadens verborgen bleibt.«
    Der Kaufmann rieb sich das Kinn und schien nachdenklich zu sein.
    Jetzt hab’ ich ihn! triumphierte Peter.
    Paul verstand indes gar nichts mehr. Sollten er und die Flößer den Geizkragen, der den Jakob vernichtet hatte, dafür auch noch bezahlen? Keinen Pfennig! Nicht einmal einen Krümel schimmeligen Brotes! schwor er sich grimmig.
    »An was hattet Ihr denn so gedacht?« fragte Pütrich berechnend.
    »Um dies zu beurteilen«, fuhr Peter ölig fort, »ist es erforderlich, daß Ihr uns eine kleine Auflistung des Schadens anfertigt. Wir könnten so gezielter beraten, wie wir Euch Gerechtigkeit widerfahren lassen und Eure Huld wieder erlangen können. Denn Ihr müßt wissen, daß es der Flößer ehrliches Bestreben ist, mit den Herren gut zu stehen, die sie täglich ins Brot setzen und ihr Auskommen gewährleisten. Wenn Ihr daher die Güte hättet…«
    »Ja, in diesem Fall… hmmh…« Der Kaufmann kratzte sich am Kopf. Er schien verwirrt zu sein und mit sich zu ringen. »So direkt und unmittelbar läßt sich das nicht feststellen. Es bedarf sorgfältiger Überprüfung. Ja, einer genauen und langwierigen Untersuchung.«
    »Oh, es muß ja keineswegs auf den Pfennig genau sein«, spielte Peter das Ansinnen gönnerhaft herunter. »Könntet Ihr nicht einfach die ungefähre Höhe des Verlustes benennen?«
    »Nun, Ihr habt wohl keine rechte Vorstellung von der Welt des Kaufmanns«, wehrte Pütrich eilig ab. »Das Geld liegt nicht einfach so herum, und das ist es am allerwenigsten. Es geht um Papiere, Wechsel, Schuldverschreibungen. Das erfordert eine Kontrolle der Bücher und ist mühsam und dauert.«
    Peter freute sich insgeheim, wie sich der

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