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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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Peitinger widerfahren ist. Und der Mörder konnte wahrlich seine Hände in Blut baden.«
    »Schon«, räumte Peter ein, »doch mir erscheint es nicht wie eine Prophezeiung, eher wie eine nachträgliche Erklärung, vielleicht auch eine Art Rechtfertigung des Mörders.«
    »Woher willst du denn wissen«, beharrte Paul, »daß der Peitinger den Zettel nicht doch schon vorher bei sich trug. Vielleicht ließ man ihm die Botschaft als eine Drohung zukommen, und sie lag ja auch nicht einfach neben ihm, sondern steckte in seinem Wams.«
    Peter blickte etwas ratlos in das triumphierende Gesicht des Freundes.
    »Laßt uns noch einmal den anderen Psalm betrachten«, schlug er vor.
    »Hier steht nichts von Erhängen, Faß oder so…«, meinte Agnes leicht enttäuscht.
    »Die Frage ist doch«, dachte Peter laut nach, »ob die beiden Morde überhaupt etwas miteinander zu tun haben. Der Richter geht anscheinend davon aus und weist die Tat dem Leonhart zu. Du, Paul, hängst sie auf irgendeine Weise den Pütrichs an. Aber vielleicht wurde der Jakob ermordet, weil er zuviel wußte, und der Peitinger aus einem ganz andern Grund. Feinde genug hatte er ja. Das einzig Verbindende scheint für den Augenblick zu sein, daß bei jedem der Toten ein mysteriöses Pergament gefunden wurde, bei Jakob sogar zwei. Doch deren Bedeutung bleibt rätselhaft.«
    »Es sieht so aus, als kämen wir hiermit keinen Schritt weiter«, resümierte Paul und fragte: »Was gedenkst du nun zu tun?«
    »Ganz einfach«, erwiderte Peter mit Unschuldsmiene. »Da ein gewisser Herr Knoll schwere Beschuldigungen gegen die ehrenwerte Familie Pütrich erhebt, sollten wir dort nach dem Rechten sehen.«
    Paul starrte verdutzt erst die Agnes an, dann den Verrückten, von dem die Idee kam. »Ein-einfach so«, stammelte er nach einer Weile. »Gott zum Gruß! Wir sind die freundlichen Pfleger von der Lände und wüßten gern, ob Ihr den Jakob oder den Peitinger auf dem Gewissen habt. Der läßt uns doch sofort rauswerfen, und dann haben wir den Richter erst recht auf dem Hals. Oooh nein!« In Paul stieg eine fürchterliche Ahnung auf: »Du willst dich doch nicht wieder auf ihn berufen?«
    »Keine Sorge!« lachte Peter. »Ich weiß etwas Besseres: Verwandtschaftliche Bande. Die Schwester des alten Pütrich war gewissermaßen meine Tante. Die hübsche Ehrentraud. Leider ist sie schon verstorben.«
    »Wann?« fragte Paul scharf.
    »Nun«, überlegte Peter, »es dürfte beinahe vierzig Jahre her sein.«
    »Hör’ ich recht?« Paul brach in schallendes Gelächter aus und stieß mühsam hervor: »Die gute Tante… hihi… empfiehlt sich dem Herrn… hohoho… lange noch bevor ihr wackerer Neffe in die Windeln scheißt… hahahaaah… und er will damit dem alten Pütrich kommen…« Paul hatte Tränen in den Augen. Und mit himmelwärts gewandtem Blick stöhnte er nach einer Weile beinahe ernsthaft. »Der Bengel schafft’s doch immer wieder, mir seine Verrücktheit aufzuzwingen. Ich werde wohl oder übel mitkommen müssen.«
    Und um den Unternehmungsgeist noch weiter anzustacheln, holte Agnes ein zusammengefaltetes Pergament hervor und warf es auf den Tisch.
    »Seht nur, was ich hier habe«, forderte sie die verdutzten Männer auf.
    Peter griff als erster danach. »Aber das ist doch… wo hast du das her? Warst es am Ende du, die mich überfallen hat?«
    Die Frage war scherzhaft gemeint. Aber es war schon verwunderlich, wie Agnes wieder zu dem verschollenen Text gekommen war, der dem Jakob unterm Gürtel gesteckt hatte.
    »Ich hab’ den Text ganz einfach abgeschrieben«, erklärte sie schmunzelnd, »einmal – ich geb’s gern zu –, weil ich neugierig war, zum anderen, weil ich schon geahnt hab’, daß ihr zwei Tölpel wieder alles verschlampt…«
    »O Agnes«, jubilierte Peter, »wenn wir dich nicht hätten!«
    »Armselige Tröpfe wärt ihr«, bestätigte Agnes. »Wenn ihr nur einsehen wolltet, daß ohne uns Frauen die Welt nicht funktioniert.«
    »Ja«, frotzelte Paul, »wenn der Schöpfer nicht mit der Rippe gespielt und Eva daraus geformt hätte, dann gäb’s in der Welt auch keinen Verrat und keine Sünde…«
    »Und wohl auch keine Erlösung!« konterte Agnes und beschied Paul, daß es für ihn Zeit sei nach Hause zu gehen, während sie Peter am Arm faßte und sanft, aber bestimmt, aus der Gaststube zog.

11. Kapitel
     
    Paul konnte unschwer erahnen, worauf sich Peters Fröhlichkeit an diesem Montag morgen gründete. Die auffällige Betriebsamkeit seines jugendlichen

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