Der Wachsmann
Jahren, von jedermann an der Lände gemocht. Dies brachte zwar Entlastung, aber zunächst doch auch Mehrarbeit, denn der neue Amtsbruder mußte in seine Aufgaben und Pflichten erst noch eingewiesen werden. Peter tat es gerne und kam dabei auf andere Gedanken.
Eines Abends um die Wochenmitte trafen sich zwei Männer zu ernster Unterredung. Beider Kleidung ließ auf eine gewisse Wohlhabenheit schließen, und beide mochten um die vierzig Lenze zählen. Doch während das dunkle Haar des einen noch in voller Pracht stand, war die Schädelzier des etwas beleibteren Mannes bereits stark gelichtet und von grauen Strähnen durchzogen. Und seine Miene wirkte wesentlich härter, vielleicht gar verbittert, während die Augen des anderen noch offen und freundlich in die Welt blickten. Gleichwohl drückte ihn ernste Sorge, die er auch sogleich zum Ausdruck brachte.
»Das war so nicht ausgemacht. Die Hälfte für jeden, hatten wir vereinbart. Ich brauche das Geld.«
»Wir hatten auch vereinbart«, entgegnete der andere kalt, »daß du bis Jakobi zurückzahlst. Hast du das etwa vergessen?«
»Noch ist nicht Jakobi. Gib mir noch etwas Zeit!«
»Du schuldest mir schon zuviel. Außerdem haben sich die Umstände geändert.«
»Wieso?«
»Im Rat herrscht Unruhe wegen des bevorstehenden Krieges. Und Drächsel, der Kämmerer, drängt darauf, die Widerraitung der Steuereinnahmen möglichst bald vorzunehmen und nicht erst zu Beginn der neuen Steuerperiode. Ich brauche also das Geld ebenfalls.«
»Aber du kannst doch Aufschub erwirken«, wandte der Schmächtigere ein, dessen Miene sich nun zunehmend verfinsterte.
»Und was, bitte schön, soll ich denen erzählen? Daß ich Steuergelder verliehen habe an jemanden, der offenbar nicht damit umgehen kann?«
»Sag einfach, daß manche Zahler säumig wären. Du mußt doch keine Namen nennen.«
»Das geht nicht. Einige der Herren betrachten mich seit der Geschichte mit dem Diener noch immer wie einen Aussätzigen. Der Schrenck würde mir am liebsten jeden Tag einen Aufpasser nachschicken. Ich kann mir eine Überprüfung einfach nicht leisten. Noch einmal werden sie mir nicht mit Nachsicht begegnen.«
»Aber du hast versprochen…«
»Das war vorher«, unterbrach der Kräftige barsch. »Es geht eben nicht.«
»Herrgott!« rief der andere fast flehentlich. »Wir sind doch wie eine Familie.«
»Familie!« schnaubte sein Widerpart verächtlich. »Noch ist’s nicht soweit. Und wie haben sich die ehrenwerten Anverwandten verhalten, als es mir dreckig ging? Was kümmert mich also die Familie, wenn mir selbst das Wasser bis zum Hals steht!«
»Aber ich hab’ das Geld nicht.«
»Dann borg’s dir eben woanders oder meinetwegen von den Juden.«
»Hör zu!« bettelte der Schuldner. »Laß uns doch zusammen noch einmal zuschlagen. Dann ist uns beiden geholfen.«
»Daraus wird nichts«, wehrte der andere ab. »Wenigstens nicht in nächster Zeit.«
»Aber wieso? Es lief doch alles bestens.«
»Bestens? Die ganze Stadt ist aufgebracht. Es wird zu gefährlich.«
»Auf dich fällt doch kein Verdacht.«
»Wer weiß? Es ist zudem noch etwas schiefgelaufen.«
»Was, zum Teufel?«
»Eine Botschaft ist abhanden gekommen.«
»Welche Botschaft?«
»Ich wollte dem Österreicher eine Nachricht zukommen lassen. Aber diese Tölpel haben sie verschludert.«
»Willst du damit etwa sagen…«
»Was?«
»… daß du unsere Unternehmung dazu benutzt hast, dein eigenes Süppchen zu kochen? Bist du des Wahnsinns? Willst du, daß wir alle hängen?«
»Reg dich nicht auf! Noch ist nichts verloren. Die Botschaft war verschlüsselt. Wir müssen eben nur vorsichtig sein.«
»Du mußt verrückt sein! Setzt alles aufs Spiel, nur wegen deines kleinlichen Hasses.«
»Pah! Glaubst du im Ernst, ich hätte mich an deinen windigen Plänen auch nur einen Tag lang beteiligt, wenn sich mir nicht dadurch die Gelegenheit zur Rache geboten hätte? Alle sollen sie büßen für die Schmach und ganz besonders Er! «
»Wen meinst du damit?« fragte der Schmächtigere in einer Mischung aus Zorn und Argwohn.
»Du wirst es erleben. Der Tag der Rache naht.« Der Füllige grinste selbstsicher.
»Willst du den Alten vielleicht eigenhändig umbringen?« höhnte der andere. »Oder den gesamten Rat auslöschen oder den König…« Er hielt entsetzt inne und stotterte ungläubig: »Das… das kann nicht dein Ernst sein…«
»Schrei nicht so! Oder soll es auch der verdammte Schuhflicker noch erfahren?«
»Der denkt ohnehin wie
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