Der Wachsmann
gerechtem Zorn dem Meister Emicho die Münzstätte zerschlagen haben, hat uns der feine Herzog mit einer zusätzlichen Steuer noch doppelt betrogen. Aber das will ein Herr Schuster nicht wahrhaben.«
»Pah!« erwiderte der Angegriffene, der inzwischen wieder zu Atem gekommen war. »Das hat sich der Pöbel doch selbst zuzuschreiben. Und euer Ludwig ist bis über beide Ohren verschuldet und hält’s nur mit den reichen Pfeffersäcken. Rudolf dagegen hat auch was für den kleinen Mann getan.«
»Ach, was!« ging Alois entrüstet auf. »Grad weil er euch Schuster begünstigt hat. Ansonsten hat doch nur der ehrwürdige Rat was zu sagen gehabt. Oder steht im Rudolfinum vielleicht was von der Gemein? Dem Ludwig ist’s doch zu verdanken, daß die Mehrheit ehrbarer Handwerksleut nicht mehr bloß buckeln muß, sondern mitreden darf. Und damals hätt’ einer wie du das Maul nicht so weit aufreißen dürfen!«
»Jetzt reicht es aber, meine Herren!« ging Agnes rigoros dazwischen. »Heut’ hab’ ich was zu feiern, und ich will mir die gute Laune nicht von euch verderben lassen.«
Aber eher noch hätte sie sich bei einer Schar von Gänsen Gehör verschafft, denn schon legte der Schuster wieder los: »Es hat ja sogar der Papst den Königsthron für verwaist und den anmaßenden Ludwig für abgesetzt erklärt.«
»Der ist auch nur eines Schuhflickers Sohn«, griff nun selbst Paul in das Wortgefecht ein, »und ich geb’ einen Furz auf ihn. Der will nur selbst den Reichsverweser spielen wie du das Großmaul von Rudolfs Gnaden.«
Die Flößer brüllten vor Lachen, während Heinrich Füss puterrot vor Zorn kreischte: »Ihr blödes Gelichter! Das wird euch noch leid tun! Euch allen!«
»Haltet mich zurück!« schrie jetzt Leonhart, der Stier, während er gleichzeitig vorwärts stürmte. »Haltet mich zurück, oder es geschieht ein Unglück!«
»Das ist längst geschehen, bei deiner Geburt«, höhnte der Schuster gallig, während Peter mit ein paar kräftigen Floßleuten versuchte, den tobenden Leonhart zurückzudrängen.
»Ich bring’ ihn um! Ich bring’ den Kerl um!« schnaubte der wütend.
»So wie den Peitinger vielleicht?« legte der Schuster noch nach. »Den hast du doch auch auf dem Gewissen. Unter Rudolf, wo es noch Recht und Ordnung gab, tät’ ein Schlagetot wie du schon längst baumeln.«
»Ich war’s nicht!« brüllte Leonhart. »Das weiß hier jeder!«
»Dann beweis es doch, du Großmaul!« forderte der Schuster kalt.
»Ich muß nichts mehr beweisen. Aber vielleicht tu ich’s?« In Leonharts Augen kam plötzlich ein Flackern. »Ja, vielleicht sollte ich’s tun! Vielleicht weiß ich ja was oder hab’ was gesehen. Der Mörder sollte sich vorsehen! So wie du, Schuhflicker, verdammter!«
Leonhart schien jetzt fast ein wenig wirr, und seine Augen hatten einen wilden Glanz. Er ließ sich ganz leicht auf die Bank zurückschieben und starrte entrückt in den Krug, den ihm einer wohlmeinend zur Besänftigung hingeschoben hatte.
Auf der anderen Seite schaltete sich Ludwig Pütrich ein, um zu vermitteln. Er redete ruhig, aber mit allem Nachdruck auf den Schuster ein, und wie es schien erfolgreich. Peter bewunderte insgeheim die Autorität des Kaufmanns. Gleich darauf erhob sich der Schuster sogar und ging grimmigen Blickes, aber wortlos nach draußen.
Erleichterung machte sich auf den angespannten Gesichtern breit, und es war, als sei plötzlich aller Haß verflogen. Agnes dankte dem Herrn Pütrich, daß er die kritische Situation entschärft und damit einen Rest von festlicher Stimmung gerettet hatte. Er machte ihr artig ein Kompliment, beglückwünschte sie zur Heimkehr ihres Sohnes und zog sich nach einer letzten Bierspende für die Flößer galant zurück. Nur Leonhart wirkte bedrückt. Er machte sich Vorwürfe wegen seiner Unbeherrschtheit. Und plötzlich stand er auf und kündigte an, daß er nach Hause gehe. Die anderen wollten ihn zurückhalten, aber er war entschlossen, wenigstens für dies eine Mal.
»Es ist nicht gut für mich«, sagte er entschuldigend. »Fast hätt’ ich heut’ schon wieder den Kopf verloren. Und es darf nicht sein, denn ich hab’s doch beim Augenlicht meiner Mutter geschworen.«
»Glaubst du, daß er tatsächlich etwas weiß?« fragte Paul den Peter, nachdem Leonhart gegangen war.
»Ich bin mir weiß Gott nicht mehr sicher«, gab Peter zur Antwort.
Eine gute Stunde später wurde es für alle Zeit zum Aufbruch, und die Flößer tröpfelten in kleinen Gruppen nach
Weitere Kostenlose Bücher