Der Wachsmann
auf die Knie nieder, schloß in jeden Arm einen Knaben und erklärte tröstend: »Ich muß euch beide enttäuschen. Keiner darf das dumme Ding behalten. Es ist zu gefährlich geworden. Ihr müßt es vergessen und dürft auch kein Wort mehr darüber reden. Zu niemandem! Hört ihr?«
Und weil lohnender Ersatz noch allemal besser wirkt als bloße Ermahnung, versprach er beiden, daß er demnächst mit ihnen zum Fischen ginge.
Peter ließ das Siegel in seiner Gürteltasche verschwinden. Jetzt stand er selbst plötzlich vor der Frage, was er mit diesem Unglücksbringer anstellen solle. Zum Richter bringen? Vielleicht wäre es das beste. Aber irgend etwas in ihm ließ Peter zögern. Er mußte erst darüber nachdenken.
Den ganzen Tag über hatte beim Wirtshaus im Tal ein Kommen und Gehen geherrscht, richtig ging es aber erst am Abend los. Selbst Ludwig Pütrich gab sich die Ehre und spendierte eifrig Bier ob des freudigen Ereignisses. Perchtold durfte zur Feier seiner Errettung mitten unter den rauhen Floßleuten sitzen, die ihn lachend immer wieder ermunterten, von seinen aufregenden Erlebnissen zu berichten.
Kaum war der Junge unter heftigem Protest aufs Strohlager verbannt, als die aufgekratzten Flößer auch schon nach einer neuen Quelle der Belustigung Ausschau hielten. Und siehe da! Der Meßpfaffe und der mürrische Schuhflicker kamen wie gerufen.
Gottschalk mußte schon andernorts ausgiebig gepredigt und getrunken haben, denn er hatte bereits glasige Augen.
»Was plappert ihr Narren und feiert ein lärmend Fest? Wißt ihr nicht, was heute geschehen ist? Heute ist der Tag, an dem der Allmächtige den Teufel aus dem Himmel gestoßen hat, wodurch das Böse in die Welt gekommen ist. Ihr seid umringt von Lug und Trug, von Teufelswerk und…«
»… schnatternden Pfaffen!« ergänzte Alois boshaft.
Aber Gottschalk spürte wieder die Berufung und ließ sich nicht beirren.
»Der Zorn des Herrn macht auch nicht halt vor Königen. Denn so steht’s geschrieben: Er beuget den Hochmut der Fürsten und erweist sich als furchtbar den Königen dieser Erde. Und er wird die Frevler zur Hölle schicken wie einst Luzifer. Und also wird er die hochmütigen Könige vom Thron stoßen…«
Mißfallen machte sich allenthalben breit, aber Leonhart, der sich neuerdings versöhnlich geben wollte, erhob einfach seinen Krug und brüllte: »Ein Hoch auf unseren König! Lang lebe Ludwig!«
»Lang lebe Ludwig!« schallte es vielstimmig durch die Gaststube und gleich darauf schlugen Becher und Krüge aneinander.
Dem Leonhart war dabei nicht entgangen, daß Heinrich Füss sich des Trunks enthalten hatte. »Was ist, Schuster?« fragte er daher in leicht gereiztem Tonfall. »Willst du nicht mit uns anstoßen?«
»Hab’ keinen Grund dazu«, war die mürrische Antwort.
»Wer unseren König schmäht, bekommt es wohl mit uns zu tun«, drohte jetzt der Michl.
»König!« schnaubte Füss verächtlich. »Der muß sich erst als König erweisen, sofern ihm überhaupt noch Zeit dazu bleibt.«
»Was willst du damit sagen?« fragte nun auch Ulrich Hiltpurger aufgebracht, der sich bislang zurückgehalten hatte.
»Was werd’ ich damit sagen wollen?« höhnte der Schuster. »Daß Ludwig nicht auf den Thron gehört, weil er ihm nicht zusteht!«
»Das ist Hochverrat!« riefen einige.
»Das ist die Wahrheit!« konterte Heinrich Füss.
»Vorsicht, Bursche! Du redest dich um deinen Kopf«, warnte Alois.
Doch bei dem Schuster brachen nun all die Bitterkeit der letzten Jahre und all der aufgestaute Haß hervor. Er sprang auf und donnerte in den Raum: »Ja, wenn’s denn sein muß, dann wollt’ ich lieber verrecken, als diesen Ludwig auf dem Thron sehen!«
»Was hast du gegen ihn?« fragte der Benedikt erschrocken.
»Bist du blind?« fuhr ihn drauf der Schuster an. »Wem hat denn die Stadt alles zu verdanken? Rudolf gab ihr Recht und Ordnung, bis der eifersüchtige Jüngling daherkam und um die Herrschaft stritt. Ludwig hat nur Unheil über uns alle gebracht. Oder hat er etwa nicht Dutzende Häuser niederreißen lassen? Und droht nicht seither unentwegt das Schwert der Habsburger über unserer Stadt? Aber diesmal wird es ihn hinwegfegen und der alten Ordnung zum Sieg verhelfen.«
Es war auf einmal mucksmäuschenstill im Raum geworden, und einige wiegten sogar nachdenklich den Kopf.
Da wurde es dem Michl zuviel: »Weil’s lange her ist, hast du wohl schon vergessen, wie uns damals der Münzmeister des Herrn Rudolf hereingelegt hat. Und weil wir in
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