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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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recht«, klang es von verschiedenen Seiten. »Die Brut muß vernichtet werden.«
    »Und das ist längst nicht alles«, riß der heimtückische Schwätzer wieder das Wort an sich. »Habt ihr euch nicht gefragt, warum der Peitinger und euer Leonhart so mit Blut besudelt waren? Weil jene es für ihre satanischen Riten brauchen und um ihre Türpfosten mit Blut zu bestreichen. Sie sind die wahren Mörder, und solange einer von ihnen lebt, wird in dieser Stadt der Teufel umgehen.«
    »Dann hoff’ ich nur, daß er dich bald holt!« rief Peter erbost. »So ein hanebüchener Unsinn!« Er hätte selbst nicht sagen können, was ihn in seiner Ablehnung so sicher machte. Vielleicht war es dem Umstand zu danken, daß er selbst schon einmal einem Schwätzer aufgesessen war und sich für dumm hatte verkaufen lassen. Nun war er gewarnt und hielt längst nicht mehr alles für wahr. Vielleicht war es auch eine unbestimmte Gewißheit, die tiefer saß und ihn einfach nicht glauben ließ, daß Menschen zu solch schaurigen Taten fähig seien. Unter den Gästen aber bekundeten einige spontan ihre Zustimmung, und der Kreis der Gläubigen wurde rasch größer.
    »Der hat sich das doch nur ausgedacht, um sich wichtig zu machen. Hört nicht auf ihn!« beschwor Peter händeringend die aufgewühlten Zuhörer.
    Doch die waren jetzt schon weit schwerer vom Gegenteil zu überzeugen, und Caspar Nickel höhnte: »Wem werden sie wohl mehr glauben, Peter Barth? Euch, der Ihr Euch schon bei des Krinners Selbstmord wissentlich getäuscht habt, oder mir? Denn ich kann mich auf einen Gewährsmann beziehen.«
    Peter war jetzt so wütend, daß er sich auf das Klatschmaul gestürzt hätte, wenn ihn Paul nicht im letzten Augenblick zurückgehalten hätte. Da mußte mehr dahinterstecken. Wahrscheinlich zahlte der Nickel es dem Peter jetzt heim, daß er durch Perchtolds eigenständige Rückkehr ohne die erhoffte Belohnung geblieben war.
    »Dann nenn uns doch den, von dem du diese Weisheiten hast!« forderte Peter.
    »Das hab’ ich nicht nötig«, konterte der Nickel kühl und patzig. »Und wenn, dann kostet es Euch diesmal eine Kleinigkeit, Herr Barth.« Er zwinkerte ihm verschwörerisch zu und grinste dabei unverschämt.
    Peter spürte Wut und Ohnmacht. Er redete zwar noch einige Male dagegen, aber keiner wollte so recht auf ihn hören, denn der Verkünder schauriger Wahrheiten ist allemal interessanter als der Vertreter schaler Ermahnungen. Vereinzelt war die böse Saat schon aufgegangen.
    Nach einer Weile, als die unselige Diskussion ein wenig abflaute, griff Paul auf seine Weise in das Gespräch ein. Er bedeutete dem Gerüchteschmied, daß er noch von ganz anderen Ungeheuerlichkeiten wisse, und der biß sogleich an. Paul gab ihm zu verstehen, daß er nicht vor allen darüber reden wolle, und so folgte ihm der Nickel bereitwillig in den Hof. Dort eröffnete der Pfleger überaus freundlich das Gespräch.
    »Der Peter hat dich da vorher etwas gefragt, und ich kann verstehen, daß du ihm nicht recht antworten wolltest. Aber möchtest du vielleicht mir gegenüber damit herausrücken?«
    Caspar wußte nicht recht, was er davon halten sollte, aber er wollte auch nicht auf den Leim gehen. Also schüttelte er nur unwillig den Kopf und wandte sich wieder der Gaststube zu.
    Paul packte ihn entschlossen am Arm und forderte ihn auf: »So bleib doch, Freund! Ich will dir eine Geschichte erzählen. Kennst du die Wundertaten des heiligen Pankraz?«
    Nickel schüttelte wieder nur den Kopf, diesmal zutiefst erstaunt.
    »Solltest du aber«, fuhr Paul fort. »Hör zu! Einst geschah es, daß zwei Männer in großen Streit verfielen und darob einen Richter anriefen. Dieser wußte in seiner Weisheit sehr wohl, welcher von beiden der Schuldige war, aber er wünschte, daß der es von selber eingestand. So führte er beide vor den Altar von Sankt Peter und zwang dort den Schuldigen zum Schwur. Dann bat er den Apostel, er möge doch durch ein Zeichen die Wahrheit kundtun. Aber der Schuldige schwor Stein und Bein, daß er’s nicht gewesen sei, ohne daß Petrus die Lüge offenbart hätte. Da sagte der Richter: ›Der gute alte Petrus ist wohl zu sanftmütig oder er will einem anderen zur Ehre verhelfen. Laßt uns deshalb zu Sankt Pankratius gehen.‹ Sie gingen also zu dessen Grab, wo der Schuldige dreist erneut einen Meineid schwor. Weil er aber zur Bekräftigung seines Schwurs die Hand auf das Grabmal gelegt hatte, konnte er sie plötzlich nicht mehr losbringen.« Paul ergriff

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