Der Wachsmann
Knoblauch, worauf das Bäuerlein gewaltig furzt und scheißt und augenblicklich geheilt ist. Die reinigende Erleichterung erfolgt aber unter so pestilenzartigem Gestank, daß ein des Wegs kommender Inquisitor unschwer den Ruch des Dämons zu wittern glaubt, der soeben aus dem Bäuerlein ausgefahren ist. Der Medicus nun, der die Heilkräuter kennt, schreibt die treibende Wirkung selbstredend der natürlichen Magie der Pflanzen zu. Der reine Tor mit einer Prise Zweifel aber fragt sich schlicht, ob das Geheimnis nicht einfach darin liege, daß sich das Bäuerlein zuvor am Kohl überfressen und dieser nach entsprechendem Umtrieb im Gedärm auf höchst alltägliche Weise wieder ans Licht gedrängt habe. Ist nun der Kohl selbst die prima causa efficiens, also der vorrangige Entstehungsgrund für die Blähungen des Bäuerleins oder ist es der Dämon?
Ihr seht, meine Freunde, daß Magie die Grenzen und Standpunkte zu verwischen vermag. Aber nicht schon das bloße Wissen um diese Dinge und die geistige Beschäftigung damit erscheinen mir als gefährlich und verwerflich. Schließlich wissen wir auch von den Umtrieben des Satans, und gerade die Eiferer hämmern sie uns wortreich ein. Aber deshalb müssen wir doch noch lange nicht seinen Verlockungen erliegen.«
Peter erinnerte sich plötzlich der Ausführungen des Friedericus und wandte keck ein: »Sagt man denn nicht von Roger Bacon, einem Angehörigen Eures Ordens, daß er der Zauberei nahe stand und das Mysterium flüssigen Goldes…«
»Papperlapapp!« überfuhr ihn der Mönch. »Das ist die üble Nachrede derer, die ihn nicht verstanden, wenn sein Geist allzu kühn in den Lauf der Natur eindrang und ihr manch Geheimnis entriß. Aber er tat dies ausschließlich zur Ehre Gottes und um dessen Herrlichkeit noch deutlicher werden zu lassen.«
»Nicht auch ein wenig zur eigenen Ehre?« fragte Peter spitzbübisch.
»Himmel, nein!« schimpfte Servatius. »Er hat ganz im Gegenteil gesagt: ›Je weiser ein Mensch, desto demütiger ist er.‹ Und er bemerkte auch, daß er mehr Wahrheiten von Menschen niederen Standes erfahren habe, als von den berühmten Doktoren. Keiner sollte daher mit seinem Wissen prahlen, was aber leider für Albert von Regensburg zutrifft, diesen Neugierigen und Vielschreiber der Dominikaner. Mich wundert nicht, daß ihn der Ruch des Magiers umweht und etliche behaupten, er habe sich einen dienstbaren Dämon gehalten.«
»Versteht Ihr Euch denn auf Kräuter und deren Magie?« fragte Paul unverfänglich.
»Oh, meine Kenntnisse diesbezüglich sind überaus lückenhaft und unzulänglich. Da solltet Ihr besser den Bruder Botanicus befragen.«
»Ich sah unlängst ein seltsames Männlein«, fuhr Peter ungeachtet des Mönchs vorgeschobener Bescheidenheit fort. »Es war dem Wachsmann nicht unähnlich, nur bedeutend kleiner, und es erschien mir eher wie eine beschnitzte Wurzel. Es war auch nicht durch Nägel oder dergleichen entstellt, sondern wurde vielmehr behutsam behandelt und in einem kostbaren Kästchen aufbewahrt. Könnt Ihr Euch vorstellen, was das ist und wozu es dient?«
»Im Morgenland und in der Heimat des Pfeffers«, begann der gelehrte Mönch seine Erklärung, »lebt ein großes und mächtiges Tier. Es hat Ohren wie der aufgespannte Balg einer Katze, eine Nase so lang und kräftig wie der Arm eines Riesen und eine Haut, so dick wie zähes Leder. Sein Name ist Elefant. Er ist schwerfällig, und so wohnt in ihm auch nicht die Begierde nach Vereinigung. Will er nun die Art erhalten, so wandert er an den Rand des Paradieses. Dort aber steht ein Strauch oder Baum, genannt Mandragora. Nun kostet das Weibchen von dem Baum und wird darüber sogleich hitzig, und es drängt nun auch den Bullen, davon zu nehmen. Kaum hat er davon gefressen, steigt auch in ihm die Hitze, und sie vereinigen sich, und sie wird allsogleich trächtig. Der Physiologus aber belehrt uns, daß dies ein Gleichnis und Abbild von Adam und Eva sei. Die beiden hätten, als sie vom Baume aßen, gleichsam von der Mandragora im Geiste gekostet und dadurch einander erkannt. Eva aber gebar hierauf den Kain. Was Ihr gesehen habt, war wohl die Wurzel dieser Pflanze, einem Menschlein ähnlich, unendlich kostbar und mit geheimen Kräften versehen. Man nennt sie in unserer Sprache Alraune. Näheres weiß ich darüber nicht. Aber wenn Ihr Euch zu Isaak Goldstein begeben wollt, dann erfahrt Ihr gewiß mehr davon. Er steht der Gemeinde der Juden vor, ist Arzt und ein überaus gebildeter
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