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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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wo Ihr hingehört! Auch Ihr, Richter, geht jetzt! Ihr seid in diesem Haus nicht länger willkommen.«
    Heinrich Pütrich fiel zurück, griff sich mit der Rechten ans Herz und röchelte ungesund. Seine junge Frau faßte ihm an die Schläfen und begann diese zu massieren, während sie zugleich giftete: »Tut schon, was er sagt, und nehmt diesen Wichtigtuer mit!« Sie zeigte mit dem Kinn in Richtung Peter. »Ihr habt uns lange genug belästigt!«
    »Gemach«, bremste der Richter die Beschimpfung. »Euren Gatten lassen wir gerne in Ruhe – für heute. Doch wo wart Ihr an jenem besagten Abend?«
    »Wie? Aber das ist doch lächerlich.« Birgit Pütrich wurde unsicher. »Ihr glaubt doch nicht im Ernst, daß ich…«
    »Warum nicht? Einen spitzen Dolch oder eine Ahle könnte auch die schwache Hand einer Frau führen.«
    Peter, in dessen Gedanken noch der Bastard umging und in dessen Herzen Haß aufkam, fragte sich dennoch, warum der Richter jetzt ausgerechnet auf Birgit Pütrich abzielte. Er hatte ihm doch nichts von deren Besuchen zu ungewöhnlichen Zeiten im Nachbarhaus erzählt.
    Andererseits: Sie hätte tatsächlich leicht an eine Ahle kommen können. Daran hatte er noch gar nicht gedacht.
    »Wenn ich die Frage vielleicht beantworten darf«, redete Ludwig Pütrich, der Bruder des alten Kaufmanns, ungefragt dazwischen. »Ich war an jenem Abend ebenfalls bei der Maenhartin zu Gast, verließ aber früh die Wirtsstube und ging direkt nach Hause. Als ich zu meiner Kammer hochstieg, sah ich, daß in diesem Raum noch Licht brannte. Meine Schwägerin saß über Geschäftspapieren und war an diesem Abend etwas gedrückter Stimmung. Sie äußerte die Besorgnis, daß sie, wenn meinem Bruder etwas zustoßen sollte, Krankheit oder… nun, er ist nicht mehr der jüngste… daß sie dann völlig ahnungs-und hilflos dastünde. So sprach ich ihr gut zu, und wir gingen gemeinsam ein paar Schriftstücke durch und vertieften uns dabei so sehr, daß die Stunden verflogen, bis plötzlich großes Lärmen anhob, dessen bedauerliche Ursache Ihr ja kennt.«
    »Aha«, raunzte der Richter, der offensichtlich mit seinen Gefühlen rang. »Und Ihr würdet dies natürlich so bestätigen?« Die Frage war an Birgit Pütrich gerichtet.
    »J-ja.«
    »Womit Eure eigene Erklärung für den Abend auch schon geliefert wäre, nicht wahr«, sagte der Richter gönnerhaft zum Bruder.
    »So ist es«, erklärte dieser lächelnd.
    Der Alte röchelte unterdessen und zog schwer den Atem ein, sagte aber nichts mehr.
    »Dann bleibt uns wohl nur noch die Frage an Euch zu richten«, wandte sich Konrad Diener an den Sohn, »und Ihr habt sicher auch eine gute Erklärung.«
    »Mein Bein«, antwortete er, inzwischen nicht mehr ganz so freundlich. »Ich lag in meiner Kammer und schonte mein Bein.«
    »Ja, richtig. So, das wär’s dann auch schon.« Der Richter drängelte plötzlich seinen Schreiber: »Packt zusammen! Kommt, kommt!« Er sprang für seine Fülle erstaunlich behende auf, schob lärmend den Stuhl zurück und verabschiedete sich mit Worten, die wie eine Drohung klangen. »Schönen Dank auch allerseits. Für heute seid Ihr uns los. Aber das letzte Wort in dieser Sache ist noch nicht gesprochen. Wir finden schon alleine hinaus.« Er zog den Schreiber am Ärmel, rauschte aus dem Zimmer, ohne jemanden noch eines Blickes zu würdigen und polterte die Stiege hinab.
    Peter vermied es, dem jüngsten Pütrich noch einmal in die Augen zu schauen und verließ ebenfalls schnell den Raum. Der Richter hetzte mit stierem Blick und hinter dem Rücken verschränkten Armen über den Marktplatz, so schnell, daß Peter und der Schreiber kaum hinterher kamen. Am Ende des Marktplatzes fragte der Schreiber schüchtern an, ob der Richter ihn noch brauche. Der wischte nur zweimal mit der Linken durch die Luft, und der Schreiber eilte, nein – entfloh zum Rechtshaus.
    Nachdem Konrad Diener zu Hause einen Becher vom Roten in einem Zug hinuntergestürzt hatte, ließ er seinem Ärger freien Lauf.
    »Ich hatte ihn schon fast soweit. Es fehlte nicht viel, und der eingebildete Pfeffersack hätte gestanden. Aber die falsche Brut ist klebrig und hält zusammen wie ein Eimer Pech. Zum Teufel! Ich hätte sie einzeln verhören müssen. Jetzt sind wir wieder nur soweit wie am Anfang. «
    »Nicht ganz«, wandte Peter ein und bemühte sich, aufmunternd zu wirken. »Immerhin können wir doch ziemlich sicher sein, daß die Psalmen vom alten Pütrich stammen und daß er somit irgendwie in die Sache

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