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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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verwickelt ist, vielleicht gar selbst gemordet hat. Doch wie gesagt wäre dann nur schwer zu verstehen, warum er noch das Risiko des dritten Psalmes einging, nachdem ich ihn schon damit konfrontiert hatte.«
    »Vielleicht gerade deshalb, um damit frech zu behaupten: Das kann doch nur ein anderer gewesen sein und für wie dumm haltet ihr mich eigentlich.«
    »Dann aber hätte er doch selbst daran interessiert sein müssen darzutun, daß man ihm die Psalmen gestohlen habe und jemand versuche, ihm die Morde unterzuschieben. Aber er hat sich wieder gewunden und bis zuletzt geleugnet. Oder er hat jemand in seinem Namen morden lassen, aber auch dann müßte er doch bemüht sein, den Verdacht von sich abzuwälzen. Ich frage mich daher nach wie vor: Warum leugnet Heinrich Pütrich so beharrlich den Einbruch? Was will er damit verbergen?«
    »Ihr habt einen Zusammenhang mit dem Atzmann angedeutet. Glaubt Ihr daran?« fragte der Richter stirnrunzelnd.
    »Ja und nein, ich weiß selbst nicht recht«, räumte Peter ein. »Ich hatte nur das Gefühl, der Alte hat eine Höllenangst vor dem Vorwurf der Zauberei.«
    »Wer hätte das nicht«, bemerkte der Richter, »und insbesondere bei den Vorfällen und Gerüchten dieser Tage. Die Frage ist nur: Betreibt er auch solchen Spuk oder ist die Vorgabe des Heilens glaubhaft?«
    »Es sollte mich nicht wundern, wenn er unfromme Praktiken betreibt, nach dem, was Bruder Servatius uns anvertraute. Aber wiederum erheben sich auch Zweifel, denn wenn der Atzmann dem Leonhart galt, warum hing er dann ausgerechnet neben ihm?«
    »Und der Einwand mit dem König? Wenn der Atzmann nun tatsächlich auf ihn abzielt?«
    »Dann hätte er noch viel weniger dort hängen sollen. Es sei denn, jemand wollte ganz bewußt darauf aufmerksam machen. Und warum kam der Bruder plötzlich auf den König zu sprechen?«
    »Das erscheint mir noch am wenigsten seltsam«, erklärte Konrad Diener verständnislos. »Immerhin heißt er selber Ludwig, und da darf er sich wohl seine Gedanken dazu machen.«
    »Vertraut Ihr ihm?« fragte Peter etwas verwundert.
    »Keineswegs! Er lügt wie all die anderen, aber wie soll ich’s beweisen? Wenn er und die Frau des Alten bei ihrer Darstellung bleiben, dann helfen sie sich zwar gegenseitig aus der Klemme, aber ihre Ausrede ist immer noch schwerer umzustoßen, als die Erklärungen von Vater und Sohn, für die es keine Zeugen gibt. Aber bald, da könnt Ihr Gift darauf schlucken, bald werde ich keine Rücksicht mehr darauf nehmen.«
    Peter wußte nicht recht, wie des Richters Drohung zu verstehen war und fragte daher etwas ratlos: »Was wollen wir jetzt tun? Den Rabenecker als nächsten befragen?«
    »Das hieße den Atem verschwenden. Die hängen doch zusammen, und ich kann nicht einfach aufgrund eines bislang unzureichenden Verdachtes den Alten zusammen mit dem Rabenecker in das Loch stecken, bis sie gestehen. Sie gehören dem Rat an und sind einflußreich. Denkt bloß an die üble Geschichte mit den Krays. Wenn diesmal nun die Pütrichs und Rabeneckers ihre Sippschaft aufwiegeln und weiter gegen die luden hetzen, dann haben wir den schönsten Tumult in dieser Stadt, und die Österreicher reiben sich die Hände. Nein, nein! So leid es mir tut« – dem Richter entfuhr ein ehrlicher Seufzer –, »im Augenblick sind uns die Hände gebunden. Wir können nur scharfes Augenmerk auf die ganze Bande richten und hoffen, daß irgendwann einer von ihnen den entscheidenden Fehler begeht. Und dann gnade ihnen Gott!«
    Sofern ihre Seelen nicht schon dem Teufel verschrieben sind, dachte Peter und verabschiedete sich.

24. Kapitel
     
    Die Dämmerung ließ die Schatten in der Gasse noch dunkler erscheinen. Sie war wie ausgestorben und weit und breit niemand, den Peter hätte fragen können. Er hörte zwar vereinzelt Stimmen hinter den Haustüren, hatte einmal auch zaghaft geklopft, aber man hatte ihn entweder nicht gehört oder wollte ihn ganz einfach nicht hören. Zögerlich schritt er weiter. Die Gasse erschien ihm ungewohnt sauber. An einem der Türpfosten entdeckte er an der rechten Innenseite in Augenhöhe einen merkwürdigen Behälter. Im Weitergehen stellte er fest, daß jede Haustüre damit versehen war. Neugierig trat er hinzu und besah sich einen von nahem. Es war eine Art Kapsel oder Schachtel aus Holz oder Metall, teilweise reich verziert. Durch eine Öffnung im Deckel wurden geheimnisvolle Schriftzeichen sichtbar, und Peter wußte wirklich nicht, was er davon halten sollte. Es mutete ihn

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