Der Wachsmann
das Wild zu stellen. Doch Peter hatte das sichere Gefühl, daß dem Alten so kein Geständnis zu entlocken sei und suchte daher, noch einen anderen Weg einzuschlagen.
»Obskur, sagtet Ihr. Die Leute sagen, es sei Zauberei im Spiel, und es gehe nicht mehr mit rechten Dingen zu in dieser Stadt.«
»Woran Ihr ja gehörigen Anteil habt, Herr Naseweis«, höhnte der Alte. »Ihr wart es doch, der den Selbstmörder aus dem Wasser fischen ließ und damit die Leute verrückt gemacht hat.«
»Jakob hat sich nicht selbst getötet«, berichtigte Peter beiläufig. »Aber das spielt jetzt auch keine Rolle. Gehen wir lieber von der Tatsache aus, daß die Psalmen aus Eurer Hand stammen. Und ich weiß aus berufenem Munde, daß mit solchen Psalmen auch Schindluder getrieben wird und daß der Mißbrauch oft gerade dort zu finden ist, wo man ihn am wenigsten vermutet. Für mich sind es Fluchpsalmen, die einem unfrommen Zweck dienen.«
»Worauf wollt Ihr hinaus?«
»Ganz einfach: Wer die heiligen Texte in dieser Weise gebraucht, betreibt Schwarze Magie, und es scheint doch offensichtlich und die Leute glauben es, daß solche zum Tode des Peitinger und des Leonhart geführt hat.«
»Ihr… Ihr wollt mich der Zauberei beschuldigen? Das ist doch lächerlich!«
Pütrich lachte laut auf, doch es klang scheppernd und sehr gekünstelt. »Der Kerl muß verrückt sein. Pfeift Euren Narren zurück, Herr Richter!«
Doch der ließ ihn gerne gewähren, und Peter fuhr seelenruhig fort: »Das sagte ich nicht. Aber wenn Ihr es nicht wart, dann kann nur jemand die Verse in Eurem Namen oder wider Euer Wissen gebraucht haben, also jemand, der beauftragt war oder Euch die Verse entwendet hat.«
»Ja, ja, das habe ich doch vorhin schon gesagt, daß sie irgendwie abhanden gekommen sind.« Den Kaufmann schien es inzwischen kaum mehr still auf seinem Stuhl zu halten, und unruhig veränderte er laufend seine Position.
»Ihr erinnert Euch sicher auch des Wachsmanns, der neben Leonharts Leiche im Busch baumelte. Auch das ist Zauberei der übelsten Art.«
Pütrich hatte jetzt fast die wächserne Farbe der Puppe angenommen, und Peters bohrende Fragen mußten ihm wie Nadelstiche erscheinen. Er stöhnte denn auch auf und fragte nur tonlos: »Und?«
»Und ich frage mich daher – und natürlich Euch –, ob der Dieb nicht zusammen mit dem Psalm auch die Puppe bei Euch entwendet hat. Vielleicht seid Ihr deshalb so bemüht, den Einbruch zu vertuschen, damit nicht offenkundig wird, daß Ihr Euch der Zauberei hingebt.«
Der alte Pütrich atmete schwer und stieß gepreßt und mit Unterbrechungen hervor: »Ihr Scheusal… warum?… Ich weiß nicht, warum Ihr das tut?… Ihr wollt mir etwas anhängen, womit ich nichts zu tun habe… wollt mich ruinieren… «
»So wie Ihr die Juden!« rief Peter erregt dazwischen.
»Es sind doch die verdammten Hebräer, bei denen die Zauberei zu Hause ist!« schrie der Alte fast krächzend. »Sie führen ständig irgendwelche Psalmen im Mund, vollbringen scheußliche Rituale und Morde, mit denen sie die Christenheit auszurotten trachten. Sie sind unser aller Untergang, und Ihr seid ein gottverdammter Narr!«
»Bitte, bitte! Dieser Streit führt doch zu nichts.« Ludwig Pütrich, der Bruder des Kaufmanns, der lange Zeit nur aufmerksam zugehört hatte, ging jetzt mit erhobenen Händen dazwischen. »Es ist eine schwere Anschuldigung, die Ihr gegen meinen Bruder erhebt, und ich hoffe, Ihr habt gute Gründe dafür. Aber erklärt uns doch erst, was es mit dieser Puppe auf sich hat. Ich kenne ihre Bedeutung nicht.«
Peter verkniff sich eine scharfe Bemerkung und führte aus, was er selbst über Sinn und Zweck eines Atzmanns wußte.
»Jetzt verstehe ich noch weniger, was dieser Wachsmann mit meinem Mann zu tun haben soll«, beantwortete Birgit Pütrich die Ausführungen scharf. »Ihr steckt Eure Nase gern in anderer Leute Angelegenheiten und unterstellt allerlei, wie Ihr es schon bei meinem Vater getan habt. Mein Mann hatte lediglich berechtigten Streit mit diesem Krinner, zu keiner Zeit aber mit Konrad Peitinger oder diesem Leonhart. Und der Buchstabe, den – wie Ihr sagtet – irgend jemand in den Leib der Puppe geritzt hat, wird nichts anderes bedeuten als Leonhart, der schließlich auch ermordet wurde. Was wollt Ihr also noch länger hier?«
Peter rief sich zornbebend den gedanklichen Zusatz zu seiner Liste der Verdächtigen in Erinnerung, bei dem hinter Birgit Pütrich vermerkt war: Gefährlich!!!
Der Alte ergriff ihre Hand
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