Der Wachsmann
hat seinen eigenen Tod geweissagt. Gott sei uns allen gnädig!«
Während ein Großteil der Flößer und Neugierigen rasch wieder in die Stadt zurückkehrte, um sich mit der Neuigkeit zu brüsten, betrachteten die beiden Pfleger aufmerksam die Leiche. Einiges erschien ihnen daran merkwürdig.
Gottschalks Kutte war zum Teil völlig verbrannt, zum Teil nur angesengt. Die Rückseite des Pfaffen wies schwere Brandwunden auf, anstelle der Haare waren nur noch vereinzelt winzige, verkohlte Kräusel zu erkennen. Er sah übel aus, und dennoch zweifelte Peter daran, daß das Feuer den Tod herbeigeführt hatte. Er befragte nochmals den Knecht, der als erster hinzugekommen war, und seine Schilderung klang so, als habe jemand die Hölzer aufrecht gegeneinander gestellt wie zu einer Art Lagerfeuer. Nur lag darunter dummerweise Gottschalk.
»Was meinst du?« fragte Peter.
»Um jemanden zu verbrennen, würde ich ihn auf den Holzstoß legen. Das war entweder ein Stümper, oder er hat es mit Absicht getan«, erklärte Paul.
»Das denke ich auch«, stimmte Peter zu. »Und ein Unfall war’s bestimmt nicht. Ich möchte wetten, daß der Pfaff schon tot war und jemand den Feuerzauber nur veranstaltet hat, damit sich das Schriftwort erfüllt. Die Leiche sollte nicht wirklich verbrennen, nur gleichsam Glut auf sie herabregnen. Wahrscheinlich hat derjenige sogar damit gerechnet, daß das Feuer schon entdeckt wird, bevor der Holzstoß völlig in sich zusammenfällt und verbrennt.
»Vielleicht hat er sogar feuchtes Holz benutzt«, mutmaßte Paul. »Oder er hat zuvor die Kleider des Toten genäßt, aber das läßt sich nach dem Löschen nicht mehr sagen.«
Paul untersuchte ein gut erhaltenes Stück Stoff, auf dem sich eigentümliche weiße Spuren befanden. »Sieh mal!«
»Was ist das?« fragte Peter.
»Mehl, Kalk, ich weiß es nicht. Sieht aus wie Schnee, aber es ist nicht die Jahreszeit dafür, und Feuer und Schnee, das verträgt sich nicht.«
Peter fand neben den Füßen des Toten Spuren eines teils feinen, teils grobkörnigen weißen Pulvers und etwas weiter entfernt sogar ein kleines Häufchen, das durch verschüttetes Löschwasser an den Rändern zu einem teigigen Brei geworden war.
Inzwischen näherte sich schnaufend, schwitzend und mit hochrotem Kopf der Stadtrichter, im Schlepptau seinen Schreiber und den aufgescheuchten Schatten des Todes, Jobst Türlin.
»Hat der verrückte Pfaffe wieder zugeschlagen?« fragte Konrad Diener schon von weitem.
»Diesmal nicht«, klärte Peter den Ankömmling auf. »Er hätte sich dazu schon selbst umbringen und auf den Rost legen müssen.« Und jetzt erst wurde ihm bewußt, daß mit dem Tod des Eiferers auch seine ganze schöne Theorie in sich zusammengefallen war, was ihn wie ein Schock traf und eine Weile sprachlos machte.
Paul erzählte dem Richter, was sie bislang erfahren und beobachtet hatten. Konrad Diener war in erster Linie daran interessiert, ob irgend jemand etwas Verdächtiges oder einen möglichen Täter in der Nähe gesehen habe. Aber keiner der wenigen, die noch herumstanden, hatte Derartiges wahrgenommen.
Die Abenddämmerung brach rasch herein. So überließ der Richter die Leiche dem Bader und das Aufräumen den Flößern und Ländknechten und begab sich zusammen mit den beiden Pflegern zurück in die Stadt. Am Kaltenbachtor befragte er die Wächter, ob sie Ungewöhnliches bemerkt hätten. Sie gestanden zögerlich, daß sie das Feuer womöglich überhaupt nicht wahrgenommen hätten, wenn sie nicht der Herr Rabenecker eigens darauf hingewiesen hätte. Aber gleich nach ihm sei auch schon einer von der Lände gerannt gekommen, um Bescheid zu sagen, und kurz darauf sei ohnehin schon alles vorbei gewesen.
»Wie, der Rabenecker?« fragte der Richter ungläubig und mit zusammengezogenen Brauen nach.
»Gewiß, Herr«, versicherte der eine, »ich kenne doch den Herrn Rabenecker. Er kam spät von einer Auslieferung zurück. Er sagte, er habe sich vor dem Tor noch einmal umgeschaut wegen der schönen Abendstimmung über der Isar, und da habe er den Feuerschein gesehen. Ach ja, und dann sagte er noch, daß da zwei Burschen in schwarzen Kaftanen quer über den Grieß davongerannt seien. Mehr war da nicht. Bestimmt!« Im Rechtshaus brach kurz darauf ein fürchterliches Donnerwetter los.
Konrad Diener wollte erst wissen, warum die pflichtvergessenen Knechte den Rabenecker aus den Augen gelassen und nicht von frühmorgens bis spät in die Nacht beobachtet hatten, wie ihnen
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